Der 105-jährige Italiener Sebastiano Maccioni führt sein langes und glückliches Leben auf die starken sozialen Beziehungen zurück, die er in seinem Umfeld in der italienischen Stadt Nuoro immer gepflegt hat. Sein Lebensstil hat wesentlich dazu beigetragen: Er ernährt sich gesund, bleibt aktiv und stimuliert vor allem seinen Geist durch verschiedene Tätigkeiten wie Zeitunglesen und die Pflege seines Gemüsegartens. Sebastiano hat es nie am Nötigsten gefehlt: eine feste Arbeit, gutes Essen, ein Dach über dem Kopf und saubere Luft. Sein Leben steht exemplarisch für die Bedeutung von Wohlbefinden und gesundheitlicher Chancengleichheit, also mehr als finanzieller Wohlstand.
Sebastiano dient dem Europäischen Büro der WHO für Investitionen in Gesundheit und Entwicklung (Büro Venedig) gewissermaßen als Vorbild für seine alltägliche Arbeit mit Ländern, Regionen und Städten. Seit 20 Jahren unterstützt das Büro Venedig Entscheidungsträger und Partnerorganisationen in unschätzbarem Maße mit Erkenntnissen, Messmethoden und konzeptionellen Leitlinien bei der Umsetzung von Lösungen zum Abbau von Benachteiligungen und zur Ermöglichung eines gesunden Lebens in Wohlstand.
Zwei Jahrzehnte Arbeit für mehr Chancengleichheit und Wohlbefinden
„Um den Wert und die Bedeutung unseres Büros in Venedig während der letzten 20 Jahre zu ermessen, muss man sich nur vorstellen, dass es dieses Büro nicht gäbe“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, bei der Eröffnung der Veranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Büros am 9. April in Venedig. „Das Büro in Venedig ist eine der echten Erfolgsgeschichten von WHO/Europa: ein Kraftwerk und ein Verbündeter für politische Entscheidungsträger, die sich für den Abbau von Ungleichheiten auf lokaler wie auch globaler Ebene einsetzen. Ein Kompetenzzentrum, das Führungskräfte und Experten aus verschiedenen Disziplinen im Dienste dieses gemeinsamen Ziels zusammenführt.“
„Die Verringerung von Ungleichheiten mit dem Ziel, niemanden zurückzulassen, ist eng mit unserem institutionellen Ziel verbunden“, sagte Giovanni Leonardi, Leiter der Abteilung Einheitlicher Gesundheitsansatz und internationale Beziehungen im italienischen Gesundheitsministerium. „Italien hat derzeit die Präsidentschaft der G7 inne, zu deren Prioritäten lebenslange Prävention und Altern in Gesundheit gehören.“
„Italien ist mehr als nur ein Gastgeber – hier haben wir eine kooperative Partnerschaft, in der wir gemeinsam die Zukunft von Gesundheit und Entwicklung gestalten“, sagte Dr. Natasha Azzopardi-Muscat, Leiterin der Abteilung Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder bei WHO/Europa. „Dank der Arbeit des Büros in Venedig unterstützen wir zwölf der kleinsten Länder in der Europäischen Region der WHO bei der Bewältigung ihrer einzigartigen gesundheitlichen Herausforderungen und bei der Verbesserung des Wohlergehens ihrer Bevölkerung; wir stärken die Kapazitäten von 41 Regionalbehörden und ermöglichen so wirksame Gesundheitsinitiativen an der Basis; außerdem hat unser Büro in Venedig u. a. 2000 medizinische Fachkräfte darin geschult, in den Gesundheitssystemen geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern bzw. zu verringern und so ein sichereres Umfeld für alle zu schaffen.“
Lebensweisheiten von Hundertjährigen
Das WHO-Büro in Venedig ist in enger Zusammenarbeit mit seinem Gastgeberland Italien weltweit führend bei der Gewinnung von Erkenntnissen und der Entwicklung von Entscheidungshilfen, die die Länder nutzen können, um in Gesundheit, Chancengleichheit und eine gesündere Gesellschaft zu investieren; diese sind für den Zusammenhalt und die Sicherheit von Gemeinschaften von entscheidender Bedeutung und ermöglichen den Menschen unabhängig von ihrem Alter ein erfülltes Leben in Würde.
Auf die Frage nach dem Geheimnis hinter seinem langen Leben antwortet Sebastiano ganz klar: „Ich habe ein hohes Alter, aber ich bin nicht alt. Weil ich mich nicht alt fühle. Und das Schönste an meinem Leben ist, dass ich immer bei meiner Familie gelebt habe.“ „Der Rat, den ich meinem Enkel gebe, lautet: Finde immer etwas, das dich beschäftigt.“
Investitionen in die Gesundheit während des gesamten Lebensverlaufs sollten als fortschrittliche, wirtschaftliche Investition betrachtet werden, betonte Manuela Lanzarin, Stadträtin für Soziales in der Region Venetien. Eine gesunde Bevölkerung trägt zur Steigerung der Produktivität und zur Senkung der Gesundheitsausgaben und der Belastungen für unsere Gesundheitssysteme bei.
Laut Simone Venturini, der im Stadtrat von Venedig für die Ressorts sozialer Zusammenhalt, Tourismus und wirtschaftliche Entwicklung zuständig ist, spielen die Städte eine entscheidende Rolle, indem sie dafür sorgen, dass sich alle Ressorts, und nicht nur das Gesundheitswesen, am Kampf gegen Ungleichheiten beteiligen. Wenn Gesundheit und Wohlbefinden in alle Politikbereiche einbezogen werden, entsteht ein nachhaltiges gesellschaftliches Modell.
„Das Büro in Venedig konzentriert sich auf die innovative länder- und städteübergreifende Zusammenarbeit mit den Ministerien für Gesundheit, Wirtschaft, Finanzen und Soziales“, erklärte die Leiterin des Büros in Venedig, Christine Brown. „Gemeinsam gehen wir dringende Herausforderungen an, wie z. B. soziale Ausgrenzung, Überalterung der Bevölkerung, Einsamkeit und psychische Gesundheit sowie Ungleichheiten zwischen Stadt und Land. Es kommt entscheidend darauf an, dass wir in Lösungen investieren, die zu einer gesünderen und wohlhabenderen Gesellschaft führen, in der alle Menschen gedeihen und sich entfalten können.“
Investitionen in Wohlbefinden
In einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Polarisierung ist es eine Herausforderung für die gesamte Europäische Region, unsere Gesellschaften innerhalb eines begrenzten und knappen finanziellen Spielraums in eine neue Richtung zu lenken. Die Herausforderung ist vor allem in den Ländern Zentralasiens und des Westbalkan zu spüren, wo viele Menschen im erwerbsfähigen Alter abwandern und oft die Schwächsten zurücklassen.
Im Zusammenhang mit dem Jubiläum des Büros in Venedig fand die zweite Tagung der von WHO/Europa koordinierten Initiative „Partnerschaften für eine gemeinsame Basis“ statt. Diese bringt Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens, der Wirtschaft, des Finanzsektors und der Zentralbanken zusammen. Dieser ressortübergreifende Dialog knüpft an das vor Kurzem abgehaltene Hochrangige Forum der Europäischen Region der WHO zum Thema Gesundheit in der Ökonomie des Wohlergehens und an die Arbeit der Paneuropäischen Kommission für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung an.
Die Initiative zielt darauf ab, neue Modellierungsinstrumente für Zentralbanken und Finanzministerien zu schaffen, um die Finanz- und Wirtschaftspolitik so zu gestalten, dass sie gesundheitliche Chancengleichheit und das allgemeine Wohlergehen fördert. Außerdem werden die positiven Effekte von Gesundheit und Chancengleichheit auf die Haushaltsstabilität und den wirtschaftlichen Wohlstand hervorgehoben.
„Auf dieser Tagung konnten wir uns näher mit den Möglichkeiten in Bezug auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen befassen und gleichzeitig den wichtigen Aspekt des gesunden Alterns untersuchen“, erklärte die Leiterin des Büros in Venedig, Christine Brown. „Die Skizzierung von Modellen, die für die Ressorts Gesundheit, Finanzen, Wirtschaft und Zentralbank von gemeinsamem Interesse sind, wird uns in die Lage versetzen, die dringend benötigte ressortübergreifende Zusammenarbeit zu stärken und die Länder in die Entwicklung von Kooperationsmodellen einzubinden.“
Die Beratungen anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Büros in Venedig fließen in das Internationale Forum für eine Ökonomie des Wohlergehens ein, das im Juni in Island stattfindet, aber auch in die Ambitionen Italiens, Investitionen in einen Lebensverlaufansatz für ein gesundes Altern zu einer der Prioritäten seiner Präsidentschaft in der G7 zu machen.
Das Büro in Venedig wird seine Lobbyarbeit auch durch eine Nebenveranstaltung am Rande des Zukunftsgipfels der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September in New York vorantreiben.