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Von der Politik auf den Teller: Wie Länder den Salzkonsum reduzieren und die Gesundheit der Menschen schützen können

15 May 2025
Pressemitteilung
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Die Reduzierung des Salzkonsums ist eines der wirksamsten Mittel zur Bekämpfung von Bluthochdruck und zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die in der Europäischen Region der WHO jeden Tag 10 000 Menschenleben fordern. In den meisten Ländern der Region liegt die Salzzufuhr jedoch weit über den empfohlenen 5 g pro Tag. Während der Woche des Salzbewusstseins 2025 wird WHO/Europa die dringende Notwendigkeit von Strategien unterstreichen, die wirksame Handlungskonzepte zur Reduzierung des Salzkonsums unterstützen können.

Übermäßiger Salzkonsum trägt zu Herzinfarkten, Schlaganfällen und anderen lebensbedrohlichen nichtübertragbaren Krankheiten bei. Die Evidenz zeigt, dass eine Verringerung des Salzkonsums um 25 % durch eine konsequente Gesundheitspolitik bis zum Jahr 2030 bis zu 900 000 durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedingte Todesfälle in der Region verhindern könnte. Die Bewältigung dieses Problems muss oberste Priorität haben, da Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach wie vor die häufigste Todesursache in der Region sind – sie sind für 4 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich, wovon vor allem Männer und die Bevölkerung im östlichen Teil der Region betroffen sind.

Salzzufuhr: Suche nach der Hauptquelle

Auf der individuellen Ebene ist es sehr schwierig, die Salzzufuhr zu kontrollieren, da mehr als 70 % des von uns konsumierten Salzes aus verarbeiteten Lebensmitteln stammen. 

„Die Länder brauchen Instrumente, um die wichtigsten Quellen der Salzzufuhr zu identifizieren und zu kontrollieren. Aus diesem Grund sollten sich politische Entscheidungsträger vor allem darauf konzentrieren, Daten zu sammeln und herauszufinden, welchen Schwerpunkt sie mit ihren Maßnahmen setzen sollten“, sagt Dr. Maria João Gregório, die das Arbeitspaket Regulierung und Besteuerung im Rahmen von JA PreventNCD, einem Projekt zur Unterstützung besserer Handlungskonzepte zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten in der gesamten Europäischen Union, leitet.

Portugals Erfahrungen: Regulierung und öffentliche Unterstützung 

Als Direktorin des portugiesischen Nationalen Programms zur Förderung gesunder Ernährung koordiniert Maria João seit mehr als fünf Jahren die Handlungskonzepte zur Reduzierung des Salzkonsums im Land und gibt die aus ihren Erfahrungen gewonnen Erkenntnisse weiter.

Portugal war eines der ersten Länder in der Region, das 2009 eine verbindliche Vorgabe für den erlaubten Salzgehalt in Brot einführte. Angesichts der zentralen Rolle, die Brot in der portugiesischen Ernährung spielt, war das ursprüngliche Ziel von 1,4 g Salz pro 100 g Brot ein erster strategischer Schritt. Mittlerweile ist Portugal durch eine freiwillige Vereinbarung mit der Backwarenbranche noch weiter gegangen und hat den Grenzwert auf 1 g pro 100 g gesenkt.

Eine ähnliche freiwillige Vereinbarung wurde auch für andere salzreiche Lebensmittelkategorien getroffen, z. B. für die beliebten portugiesischen Gemüse-Fertigsuppen. 

Potenzielle Hindernisse überwinden 

„Einige Maßnahmen zur Reduzierung des Salzkonsums, wie Besteuerung und obligatorische Neuformulierung, sind nicht leicht umzusetzen“, räumt Maria João ein. Lebensmittelunternehmen sind nicht wirklich daran interessiert, Regulierungsmaßnahmen wie eine obligatorische Neuformulierung oder Kennzeichnung zu unterstützen.

Einige Fortschritte wurden erst durch politischen Druck erzielt. Im Jahr 2016 scheiterte eine vorgeschlagene Salzsteuer in Portugal im Parlament, das stattdessen empfahl, eine freiwillige Vereinbarung mit der Industrie anzustreben. Diese politische Dynamik führte zu fruchtbaren Verhandlungen – und zeigt, inwiefern der breitere politische Kontext die gewählte Strategie beeinflussen kann.

Drei politische Lektionen

Maria João zufolge können drei wesentliche Strategien den Ländern dabei helfen, wirksame Konzepte zur Reduzierung des Salzkonsums zu entwickeln.

1. Erfassung aussagekräftigerer Daten

„Man kann nicht kontrollieren, was man nicht misst“, erklärt sie. Maria João plädiert für zwei Hauptrichtungen der Datenerfassung: die regelmäßige Überwachung von Daten zu Gesundheit und Lebensmittelkonsum, um aktuelle Trends auf nationaler Ebene zu verstehen, sowie den Zugang zu aktuellen Daten über die Nährstoffzusammensetzung. Regierungen haben häufig keinen Zugang zu Informationen über die Inhaltsstoffe von verarbeiteten Lebensmitteln, was die Wirksamkeit von Handlungskonzepten und deren Evaluation beeinträchtigt.

2. Kooperation und Austausch vorbildlicher Praktiken

„Angesichts der Globalisierung des Lebensmittelbereichs und der Tatsache, dass die Herausforderungen und Hindernisse in vielen Ländern ähnlich sind, sollten wir unsere politischen Reaktionen koordinieren“, erklärt Maria João. 

Kollegiales Lernen und regionsweite Kooperation sind unerlässlich, um gemeinsame Hindernisse zu überwinden, wie z. B. den mangelnden politischen Willen und die geringe Unterstützung der Lebensmittelindustrie für Regulierungsmaßnahmen.

3. Öffentliche Lebensmittelbeschaffung als Hebel nutzen

Öffentliche Einrichtungen – Schulen, Krankenhäuser und Haftanstalten – kaufen große Mengen an Lebensmitteln. Regierungen können z. B. für den Salzgehalt von Lebensmitteln, die in öffentlichen Einrichtungen beschafft werden, Standards festlegen und für eine regelmäßige Überwachung und Evaluation sorgen, um die Einhaltung dieser Standards zu überprüfen. Dies ist ein wirksames Instrument zur Gestaltung des Lebensmittelsystems und der entsprechenden Umfelder. 

Schlüssel zum Erfolg: gute Politikgestaltung und Kommunikation

Als Co-Leiterin des Arbeitspakets 5 im Rahmen von JA PreventNCD unterstützt Maria João nun Länder in der gesamten Europäischen Union (EU) bei der Umsetzung wirksamer Handlungskonzepte zur Verbesserung der Lebensmittelumfelder und zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten. Das Projekt konzentriert sich auf regulatorische und steuerliche Instrumente, einschließlich der von der WHO empfohlenen schnellen Erfolgsrezepte („Quick Buys“), die innerhalb eines politischen Zyklus von 1 bis 5 Jahren messbare Auswirkungen auf die Gesundheit haben können:
  • Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite von Verpackungen: Das Team entwickelt einen harmonisierten Rahmen, um die Auswirkungen der Kennzeichnung auf der Vorderseite von Verpackungen auf das Verbraucherverhalten, auf Ernährungsentscheidungen und auf die Neuformulierung von Produkten zu bewerten.
  • Neuformulierung von Lebensmitteln: Nährwertdaten werden gesammelt und in einer Datenbank auf EU-Ebene gespeichert. Dies ermöglicht Vergleiche und die Verfolgung über einen längeren Zeitraum.
Die Erfahrungen Portugals zeigen, dass politische Maßnahmen, die gut konzipiert und kommuniziert werden, in der Öffentlichkeit auf große Unterstützung stoßen. So wird beispielsweise die landesweite Steuer auf zuckergesüßte Getränke von 80 % der Bevölkerung unterstützt. Ein entscheidender Erfolgsfaktor, so betont Maria João, war die eindeutige Verknüpfung der Politik mit gesundheitlichen Resultaten und die Reinvestition der Steuereinnahmen in das nationale Gesundheitssystem.

Mit starker öffentlicher Unterstützung und einer guten Evidenzbasis können die Länder in der Europäischen Region der WHO ein gesundheitsförderliches Ernährungsumfeld schaffen. „Nutzen Sie Ihre Daten. Kennen Sie Ihre Lebensmittellandschaft. Konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten Quellen der Salzzufuhr in der Ernährung. Beginnen Sie mit der öffentlichen Lebensmittelbeschaffung. Und wenn Sie die Wissenschaft auf Ihrer Seite haben, sollten Sie sich nicht scheuen, Schwierigkeiten standhaft zu begegnen“, erklärt Maria João.