WHO / Khaled Mostafa
Maria do Carmo Figueiredo, 88, came to the vaccination centre in Lisbon to get her COVID-19 third booster shot.
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Atemwegserkrankungen in der gesamten Europäischen Region der WHO auf dem Vormarsch

15 December 2023
Pressemitteilung
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In der Europäischen Region der WHO breiten sich mit Beginn der kalten Jahreszeit vermehrt respiratorische Krankheitserreger aus, sodass mehr Menschen erkranken. Viele dieser Krankheitserreger betreffen Kleinkinder, insbesondere Kinder unter fünf Jahren, aber auch andere Risikogruppen wie Menschen mit Begleiterkrankungen und Menschen über 65 Jahren. Doch eine Fortsetzung erfolgreicher Präventionsstrategien kann für die meisten Risikogruppen die Wahrscheinlichkeit verringern, in diesem Winter zu erkranken. 

Laut dem Zusammenfassenden Überblick über die Europäische Surveillance für Atemwegsviren verzeichnen etwa die Hälfte der Länder der Europäischen Region eine erhöhte Zahl von Erkrankungen mit Fieber und Husten, und einige Länder berichten über einen steilen Anstieg, auch bei Kleinkindern. 

Eine ähnliche Zunahme der Krankenhausaufenthalte war letztes Jahr um diese Zeit zu verzeichnen, was auf einen frühen saisonalen Anstieg der Verbreitung des respiratorischen Synzytialvirus (RSV) zurückzuführen ist, das eine der Hauptursachen für akute Infektionen der unteren Atemwege bei Säuglingen und Kleinkindern darstellt. Das RSV ist ein saisonales Virus, das in Europa jedes Jahr wieder auftritt und vor allem in den Herbst-, Winter- und Frühlingsmonaten (Oktober bis April) Spitzenwerte erreicht. Zu den häufigsten Symptomen des RSV gehören Schnupfen, verringerter Appetit, Husten, Niesen, Fieber und Keuchen. Die meisten RSV-Infektionen sind nach einer oder zwei Wochen überstanden, doch kann das RSV auch schwere Infektionen wie Bronchiolitis, eine Entzündung der kleinen Atemwege in der Lunge, sowie Lungenentzündungen hervorrufen.

Die WHO überwacht ausgewählte Atemwegsviren genau, und ein Teil dieses jüngsten Anstiegs ist wiederum auf einen Spitzenwert bei den RSV-Infektionen zurückzuführen, während gleichzeitig zunehmende Fallzahlen von COVID-19 sowie ein geringerer, aber dennoch merklicher Anstieg der saisonalen Grippe zu verzeichnen sind. Darüber hinaus melden mehrere Länder in der Europäischen Region eine Zunahme der Infektionen und Krankenhauseinweisungen aufgrund von Mycoplasma pneumoniae, einer häufigen bakteriellen Ursache für eine ambulant erworbene Pneumonie bei Kindern.

Die Zunahme der RSV-Aktivität spiegelt sich auch in einem steilen Anstieg der RSV-bedingten Krankenhausaufenthalte bei Kleinkindern in den vergangenen fünf Wochen wider. RSV bei Kindern unter sechs Monaten machen 20 % der akuten Infektionen der unteren Atemwege und fast die Hälfte aller RSV-bedingten Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren aus. Obwohl RSV-Infektionen für die meisten Kinder fast unvermeidlich sind, sollten doch besondere Anstrengungen unternommen werden, um Frühgeborene und Säuglinge unter sechs Monaten zu schützen, insbesondere solche mit Lungen- und Herzerkrankungen. Darüber hinaus sind Kleinkinder, die während der COVID-19-Pandemie nicht mit RSV in Kontakt kamen, nun einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. 

Es wird mit einer saisonalen Zunahme von Atemwegsinfektionen gerechnet, und die bisherigen Daten weisen keine besonders besorgniserregenden Trends oder Auffälligkeiten in Bezug auf diese Krankheitserreger oder die Schwere der von ihnen verursachten Erkrankungen bei Kindern auf. Es ist möglich, dass viele Kleinkinder manchen dieser Erreger noch nicht voll ausgesetzt waren, da diese während der Pandemie weniger stark zirkulierten. Außerdem zirkulieren Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae in manchen Jahren stärker als in anderen; dies ist etwa alle zwei bis vier Jahre der Fall. Das Auftreten und die Ausbreitung dieser Erreger unterscheiden sich oft von Land zu Land und sogar innerhalb von Ländern, wobei die nationalen oder kommunalen Gesundheitsbehörden die Aktivität in den betreffenden Gebieten meist am besten beurteilen können.

COVID-19 ist immer noch im Umlauf und führt bei Menschen mit Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf, insbesondere bei über 65-Jährigen, zu schweren Erkrankungen und sogar zu Todesfällen. Zwar sind die Hospitalisierungsraten im Vergleich zum Vorjahr nach wie vor niedrig, aber in der Hälfte der Länder der Europäischen Region, die Daten über Krankenhausaufenthalte aufgrund von COVID-19 melden, ist eine steigende Tendenz zu beobachten, insbesondere in Finnland, Italien, Lettland, der Slowakei und Tschechien. 

„Ein saisonaler Anstieg respiratorischer Erreger wird eigentlich erwartet, aber der diesjährige Anstieg könnte auch auf Infektionen bei Kindern zurückzuführen sein, die während der Pandemie geschützt waren, und darauf, dass manche dieser Erreger in jedem Winter anders zirkulieren“, erklärte Dr. Marc-Alain Widdowson, Leiter des Teams für hochgefährliche Erreger beim WHO-Regionalbüro für Europa.

„Die Impfempfehlungen für COVID-19 und Influenza richten sich nach wie vor an dieselben Hochrisikogruppen: ältere Erwachsene, Menschen mit chronischen Erkrankungen oder geschwächtem Immunsystem, Schwangere und Gesundheitspersonal. Ihnen allen werden möglichst beide Impfungen empfohlen.“

Zwar ist es wichtig, den Anstieg zur Kenntnis zu nehmen, doch können oft schon einfache Maßnahmen wirksam die Verbreitung dieser Viren eindämmen und die am meisten gefährdeten Personen schützen, nämlich Händewaschen, Zuhausebleiben bei Krankheit, eine bessere Belüftung in überfüllten Räumen und die Inanspruchnahme von angebotenen Impfungen.

Mit Blick auf COVID-19 und die saisonale Grippe ist eine zusätzliche Impfung nach wie vor der beste Schutz für Menschen mit einem höheren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Grippeimpfstoffe werden seit Jahrzehnten Millionen von Menschen auf sichere Weise verabreicht. Die Impfstoffe gegen COVID-19 konnten schätzungsweise schon 1,5 Mio. Menschenleben retten und tun dies auch weiterhin. Bei Verfügbarkeit beider Impfstoffe wird vor allem Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei COVID-19 und Influenza empfohlen, diese in Anspruch zu nehmen. In einigen Ländern und Gebieten der Europäischen Region sind seit Kurzem Impfstoffe für sehr kleine Kinder mit RSV-Risiko oder ihre Mütter erhältlich.

Die Wintersaison für Atemwegserkrankungen ist noch lange nicht vorbei, und die Grippeübertragung nimmt erst jetzt zu. Da verschiedene Krankheitserreger ihren Höhepunkt zu unterschiedlichen Zeiten erreichen können, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar, wie der Rest der Saison verlaufen wird. Die WHO beobachtet die Situation genau mit einer integrierten Surveillance für mehrere Erreger, die durch Berichte von nationalen Behörden und anderen Quellen ergänzt wird. 

„Es gibt Wege, um uns selbst, unsere Angehörigen und gefährdete Menschen zu schützen“, stellte Dr. Widdowson fest. „Auch die Gesundheitsbehörden spielen eine wichtige Rolle dabei, sicherzustellen, dass unsere Gesundheitssysteme in diesem Winter den vielfältigen Bedrohungen gewachsen sind. Dafür sollten die Mitgliedstaaten weiterhin auf gefährdete Gruppen zugehen, um für die Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 und Influenza zu werben, bedarfsgerechte Schutzmaßnahmen zu fördern und durchzuführen und falsche Informationen zu widerlegen, die die individuelle und öffentliche Gesundheit und das Wohlbefinden gefährden können.“