Guten Morgen, guten Tag!
Ich möchte Ihnen allen noch im Namen aller hier im WHO-Regionalbüro für Europa ein frohes neues Jahr wünschen.
Wir alle hoffen auf ein gesundes und friedlicheres Jahr 2024.
Und in diesem Sinne möchte ich mit positiven Nachrichten beginnen.
Eine neue Studie unter Leitung von WHO/Europa hat ergeben, dass in unserer Region dank der sicheren und wirksamen COVID-19-Impfstoffe mindestens 1,4 Mio. Menschenleben gerettet werden konnten.
Ohne diese Impfstoffe hätte die Zahl der bekannten Todesopfer in der Europäischen Region insgesamt bei etwa 4 Mio. liegen können, möglicherweise sogar noch höher.
Unsere Analyse von 34 Ländern ergab außerdem, dass mehr als 90 % der geretteten Leben Menschen über 60 Jahre waren.
Insgesamt haben die COVID-19-Impfungen die Zahl der Todesfälle in der Europäischen Region der WHO zwischen Dezember 2020, dem Beginn der Einführung der Impfstoffe, und März 2023 um 57 % reduziert.
Allein die ersten Auffrischungsimpfungen haben schätzungsweise 700 000 Menschenleben gerettet.
Denken Sie einmal darüber nach: Heute gibt es in unserer Region 1,4 Mio. Menschen – die meisten von ihnen ältere Menschen –, die das Leben mit ihren Lieben genießen können, weil sie die lebenswichtige Entscheidung getroffen haben, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen.
Darin zeigt sich der Wert von Impfstoffen. Die Beweise sind unwiderlegbar.
Die WHO empfiehlt, dass Personen, die am stärksten durch COVID-19 gefährdet sind, nach wie vor 6 bis 12 Monate nach ihrer letzten Dosis erneut geimpft werden sollten. Hierzu zählen ältere Menschen, Schwangere, immungeschwächte Menschen und Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen sowie an vorderster Front tätiges Gesundheitspersonal.
Neben COVID-19 sind in der Europäischen Region derzeit auch Atemwegsviren wie Influenza, respiratorisches Synzytialvirus (RSV) und Masern weit verbreitet.
Betrachtet man die Region insgesamt, können wir feststellen, dass die RSV-Raten vor dem Jahreswechsel ihren Höchststand erreicht hatten und nun zurückgehen, die COVID-19-Raten weiterhin erhöht sind, aber langsam zurückgehen, und die Influenzaraten nun rasch ansteigen.
Und obwohl dies nicht unbedingt ungewöhnlich ist, möchten wir Sie auf einige Trends aufmerksam machen.
Gegenwärtig erleben wir in mehreren Ländern der Region eine hohe Intensität von Grippeinfektionen. Die Gesundheitssysteme sollten sich auf einen voraussichtlichen Anstieg der Grippefälle in den kommenden Wochen einstellen.
In der gesamten Region wurden in den letzten zwei Wochen 58 % mehr Krankenhauseinweisungen wegen Influenza und 21 % mehr Aufnahmen auf Intensivstationen gemeldet als in den zwei Wochen zuvor.
Die Grippefälle haben sich zwischen November und Dezember vervierfacht, wobei 38 Länder in unserer Region den Beginn der saisonalen Grippeepidemie meldeten.
Wie erwartet sind über 65-Jährige und sehr junge Menschen am stärksten von einer schweren Erkrankung betroffen.
Wir sind besorgt über Berichte, wonach Krankenhäuser lokal unter Druck stehen und die Notaufnahmen überfüllt sind, was auf das Zusammentreffen zirkulierender Atemwegsviren zurückzuführen ist.
Neben COVID-19 und Influenza haben auch RSV und andere Erreger wie Mykoplasmen und Masern zu vermehrten Krankenhauseinweisungen bei Kindern geführt.
Und auch wenn die COVID-19-Infektionsraten in unserer Region im Großen und Ganzen zurückgehen, kann sich dies schnell ändern.
Eine neue SARS-CoV-2-Variante von Interesse – bekannt als JN.1 – verdrängt rasch andere bekannte Varianten.
Sie ist mittlerweile die weltweit am häufigsten gemeldete Variante und die im Hinblick auf die Zirkulation in unserer Region dominierende Variante, die 79 % der sequenzierten Varianten ausmacht.
Obwohl es derzeit keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die JN.1-Variante schwerwiegender ist, zeigt die unvorhersehbare Natur dieses Virus, wie wichtig es ist, dass die Länder weiterhin neue Varianten aufmerksam beobachten.
Viele Länder haben die Berichterstattung über COVID-19 an die WHO reduziert oder eingestellt. Ich kann nicht oft genug unterstreichen, wie wichtig eine kontinuierliche Surveillance von COVID-19 und anderen zirkulierenden Atemwegsviren ist.
Dreizehn Länder in unserer Region haben letzte Woche keinerlei Daten über Atemwegsviren gemeldet. Surveillance bleibt unsere erste Verteidigungslinie, um unvorhersehbare Erreger der Atemwege zu überwachen, ob es sich dabei um Mutationen oder neue Viren handelt.
COVID-19 wird nicht einfach verschwinden.
Die Pandemiejahre haben uns viel gelehrt, nicht zuletzt, dass sich selbst und andere vor Atemwegsinfektionen zu schützen eine neu akzeptierte Lebensweise darstellt.
Wir wissen, wie wir uns und andere schützen können, sei es vor COVID-19 oder vor anderen Atemwegsinfektionen.
Niemand kennt Ihr Risiko so gut wie Sie selbst.
Was wir jetzt tun müssen, ist, dieses Wissen anzuwenden, wann immer und wo immer es drauf ankommt.
Das bedeutet, dass wir unser eigenes Risiko und das Risiko für andere bei jedem Schritt unseres Lebens einschätzen und dann die wichtigsten Schutzmaßnahmen ergreifen müssen, um das Risiko einer Ansteckung oder Verbreitung von Atemwegsinfektionen zu verringern.
Diese Maßnahmen reichen von im Krankheitsfall zu Hause bleiben über Hand- und Hustenhygiene sowie ausreichende Belüftung von Innenräumen bis hin zum Tragen von Masken in bestimmten Umgebungen – etwa in Krankenhäusern oder an Orten mit großen Menschenmengen. In diesem Zusammenhang müssen wir alle nach eigenem Ermessen Maßnahmen ergreifen, um uns selbst und unsere Mitmenschen zu schützen, und zwar auf der Grundlage einer individuellen Risikobewertung.
Während wir lernen, mit COVID-19 und anderen Atemwegsviren zu leben, ist es für gefährdete Bevölkerungsgruppen absolut entscheidend, ihre COVID-19- und Grippeimpfungen wie empfohlen auf dem neuesten Stand zu halten.
Während wir das schwierige Jahr 2023 hinter uns lassen und auf das Jahr 2024 blicken, bin ich zutiefst besorgt darüber, dass das Thema Gesundheit von der politischen Tagesordnung verschwindet und wir es versäumen, uns mit der tickenden Zeitbombe zu befassen, mit der unser Gesundheits- und Pflegepersonal konfrontiert ist.
Wenn die Gesundheitssysteme unter Druck geraten, werden wir daran erinnert, dass wir möglicherweise nicht auf alles Ungewöhnliche vorbereitet sind, wie etwa das Auftreten einer neuen, schwereren COVID-19-Variante oder eines noch unbekannten Krankheitserregers.
Abschließend möchte ich alle dazu auffordern, Dankbarkeit, Geduld und Solidarität mit den engagierten Gesundheitsfachkräften zu zeigen, die unter schwierigen Umständen ihr Bestes geben.
Ich fordere politische Entscheidungsträger und Verantwortliche des Gesundheitswesens auf, das Gesundheitspersonal nachweislich zu unterstützen – nicht mit Worten, sondern mit Taten.
Vielen Dank.