Auch wenn erhebliche Anstrengungen unternommen wurden, um die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte in der Europäischen Region der WHO voranzutreiben, bestehen nach wie vor Herausforderungen. Im Vorfeld der 73. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa richtete WHO/Europa eine Nebenveranstaltung zu diesem Thema aus, um diese wichtigen Herausforderungen mit Partnerorganisationen aus der gesamten Europäischen Region zu erörtern.
Sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte (SRHR) sind entscheidend für die allgemeine Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden, für die Gleichstellung der Geschlechter und die gesellschaftliche Entwicklung, was auch in den Zielen für nachhaltige Entwicklung anerkannt wird. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Region erhebliche Fortschritte bei der Verbesserung der SRHR erzielt. Doch es bestehen nach wie vor erhebliche Ungleichheiten bei den Resultaten im Bereich SRHR zwischen den Mitgliedstaaten.
„Es bedarf gemeinsamer Maßnahmen, um die systemischen Barrieren zu beseitigen, die den Zugang zu sicheren, hochwertigen, respektvollen und bezahlbaren Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit in einer Vielzahl von Kontexten behindern, um zu gewährleisten, dass SRHR für alle Menschen Realität ist – insbesondere für Frauen, Mädchen und junge Menschen, die häufiger aus einer Vielzahl von Gründen zurückgelassen werden“, erläuterte Dr. Natasha Azzopardi Muscat, Direktorin der Abteilung Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder bei WHO/Europa.
Der Status der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte
Die in der gesamten Region gesammelten Daten sind ernüchternd.
Die Sterblichkeitsraten bei Müttern fallen in den Ländern sehr unterschiedlich aus. Im Jahr 2020 lagen sie zwischen 2 und 68 je 100 000 Lebendgeburten, wobei die von einigen Ländern gemeldeten Raten sechsmal höher waren als der regionsweite Durchschnitt. Seitdem haben mehr Länder einen Anstieg der Sterblichkeitsraten bei Müttern gemeldet, was möglicherweise den ersten deutlichen Anstieg dieser Raten in den letzten 20 Jahren darstellt.
Während über die Hälfte der Frauen im gebärfähigen Alter in der Region Verhütungsmittel benutzen, sind über 36 % aller Schwangerschaften ungewollt und führen oftmals zu unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen und schwerwiegenden, langfristigen negativen gesundheitlichen Folgen für Frauen, Familien und die Gesellschaft.
Was besonders besorgniserregend ist, ist die Tatsache, dass auch die Zahl der Schwangerschaften Jugendlicher steigt, wobei einige Länder Geburtenraten bei Jugendlichen verzeichnen, die dreimal höher sind als der regionsweite Durchschnitt, und eine beispiellose Zahl von 40 Geburten pro 1000 Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren erreichen.
Darüber hinaus erleben einige Mitgliedstaaten einen Anstieg der Kaiserschnittraten auf ein Niveau, das medizinisch nicht gerechtfertigt ist.
Notlagen wie die COVID-19-Pandemie, Konflikte und Zwangsvertreibung haben die Fragilität der bislang erzielten Fortschritte aufgezeigt – und haben unterstrichen, dass, wenn zentrale Leistungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit unterbrochen oder als nicht essenziell erachtet werden, Frauen, ihre Familien und in der Tat die gesamte Gesellschaft in hohem Maße betroffen sind.
Die nächsten Schritte
„Um Benachteiligungen zu beseitigen und die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu schützen, müssen wir uns auf den Aufbau widerstandsfähiger Gesundheitssysteme, die Beseitigung politischer und gesetzlicher Hindernisse und die Eliminierung einer Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität konzentrieren“, betonte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Hierzu ist nicht nur eine strategische Gesundheitspolitik erforderlich, sondern – was ebenso bedeutsam ist – politischer Wille.“
Seit 2016 hat der „Aktionsplan der WHO zur Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit: Auf dem Weg zur Verwirklichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in der Europäischen Region – Niemanden zurücklassen“ als vorrangiges Referenzdokument zum Thema SRHR gedient. Er bietet einen umfassenden Rahmen für die Unterstützung der Länder bei der Gewährleistung, dass die Menschen sowohl auf nationaler als auch subnationaler Ebene ihr Potenzial an sexueller und reproduktiver Gesundheit und entsprechendem Wohlbefinden voll ausschöpfen.
„Die von den Mitgliedstaaten bislang in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern erzielten Fortschritte verdeutlichen ihr Bekenntnis zur Förderung der im Aktionsplan aufgeführten Ziele. Nun ist es entscheidend, die Umsetzung des Aktionsplans durch einen gestärkten und wahrhaft ressortübergreifenden Ansatz zu intensivieren und dabei bis 2030 eine anhaltende Dynamik in Übereinstimmung mit den SDG zu gewährleisten“, schloss Dr. Kluge.