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Zurück in die Zukunft: Nutzung der Vorteile der primären Gesundheitsversorgung zur grundlegenden Umgestaltung unserer Gesundheitssysteme

24 October 2023
Medienmitteilung
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Anlässlich des 45. Jahrestags der historischen Erklärung von Alma-Ata fordert das WHO-Regionalbüro für Europa die Mitgliedstaaten dazu auf, die primäre Gesundheitsversorgung als Rückgrat von #HealthForAll (Gesundheit für alle) neu auszurichten und in die primäre Gesundheitsversorgung zu investieren

 

Astana (Kasachstan), 24. Oktober 2023

Angesichts der Permakrise, die in unserer heutigen Zeit den Gesundheitssystemen weltweit einen immer größeren Tribut abverlangt, ist es keine Option, sondern ein Muss, die primäre Gesundheitsversorgung als eine entscheidende Säule einer allgemeinen Gesundheitsversorgung dringend zu überdenken und ihr Vorrang einzuräumen. Dies setzt voraus, dass Regierungen und Gesundheitsbehörden sich vermehrt darauf konzentrieren, wie genau die primäre Gesundheitsversorgung aussehen soll, und entsprechende neue Strategien ausarbeiten. Zudem müssen sie innovativ vorgehen, um sich aktuelle und künftige technologische Fortschritte zunutze zu machen, und sich letztlich auf die menschliche Verbindung zwischen Gesundheitsanbietern und den Menschen, denen sie dienen, zurückbesinnen und diese Verbindung stärken. Dies wird bessere gesundheitliche Resultate mit sich bringen, das Wohlbefinden von Einzelpersonen und Gemeinschaften fördern, einen frühzeitigen Zugang zu Gesundheitsleistungen stärken und dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Gesundheitswesen wiederherzustellen.

Das war der gemeinsame Appell des WHO-Regionalbüros für Europa, des Gesundheitsministeriums von Kasachstan und des Regionalbüros für Europa und Zentralasien des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF), die in dieser Woche zusammen die Internationale Konferenz über primäre Gesundheitsversorgung in Astana ausrichteten, in deren Rahmen der 45. Jahrestag der Erklärung von Alma-Ata und der 5. Jahrestag der Erklärung von Astana begangen wurde. 

Zurück in die Zukunft

Die COVID-19-Pandemie beschleunigte den Impuls, die Bereitstellung von Gesundheitsleistungen auf innovative Weise umzugestalten, und machte deutlich, dass Veränderungen notwendig, aber auch möglich sind. 

„Im Wesentlichen raten wir den Ländern, ,zurück in die Zukunft‘ zu gehen – erneut das Versprechen einer Verwirklichung von Gesundheit für alle durch die primäre Gesundheitsversorgung einzufordern, das in die Erklärungen von Alma-Ata (1978) und Astana (2018) eingebettet war, und dieses Versprechen in eine Wirklichkeit umzusetzen, in der Innovationen genutzt werden, wie etwa neue Technologien, die es vor 45 Jahren oder selbst vor 5 Jahren schlicht nicht gab“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. 

„Und während wir intensiv darum bemüht sind, uns diese digitale Transformation zunutze zu machen und sicherzustellen, dass jeder gleichermaßen von ihr profitiert, dürfen wir nicht den Faktor Mensch vergessen. Eine mitfühlende Versorgung – sowohl für die körperliche als auch die psychische Gesundheit – wird uns in die Lage versetzen, die Vorteile digitaler Tools und anderer Technologien wirklich zu nutzen, denn Mitgefühl und Solidarität sind das Herzstück dessen, was die primäre Gesundheitsversorgung wirklich ist. Mit anderen Worten: wir müssen danach streben, digital, aber gleichzeitig auch menschlich zu sein.“

Kasachstans inspirierendes Vorbild

Auf der Konferenz in Astana, die in dieser Woche stattfand, tauschten sich Vertreter aus vielen der 70 Mitgliedstaaten der WHO aus aller Welt über ihre Erfahrungen mit der primären Gesundheitsversorgung aus – sowohl über Herausforderungen als auch über erzielte Erfolge. Unter ihnen war auch das Gastland Kasachstan, dessen Gesundheitsministerin, Dr. Azhar Giniyat, auf den in ihrem Land erzielten Triumph im Bereich der primären Gesundheitsversorgung verwies und dabei die Integration von Angeboten der psychischen Gesundheitsversorgung als Beispiel vorbrachte. 

„Wir haben uns von einem rein biomedizinischen Ansatz abgewandt und Angebote der psychischen Gesundheitsversorgung wie auch der sozialen Unterstützung in unsere multidisziplinären Teams der primären Gesundheitsversorgung einbezogen, haben die Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt gerückt, indem wir ihnen zuhören, und haben die Art und Weise angepasst, wie wir Leistungen bereitstellen, um besser auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft einzugehen“, erläuterte Ministerin Giniyat. „Durch die Veränderung unserer Denkweise haben wir das Fundament für Veränderungen geschaffen. Wir haben die für die primäre Gesundheitsversorgung bereitgestellten Finanzmittel erheblich erhöht und die Lehrpläne für Universitäten auf allen Ebenen der medizinischen Ausbildung verändert, um diese neuen Ansätze einzubeziehen.“

Durch hochrangiges politisches Engagement, u. a. vonseiten des Präsidenten Kassym-Jomart Tokayev, wurden die Finanzierungsmechanismen verbessert und die Digitalisierung der primären Gesundheitsversorgung vorangetrieben. Es gibt eindeutige Belege dafür, dass eine Priorisierung der primären Gesundheitsversorgung sich langfristig auszahlt. So ist etwa die Suizidrate bei Jugendlichen in Kasachstan um mehr als das Zweieinhalbfache gesunken, und die vorzeitige Sterblichkeit aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten ist weiterhin rückläufig.

Der Weg nach vorn

„Die primäre Gesundheitsversorgung beginnt und endet mit den Menschen, und Kasachstan weist uns den Weg nach vorn“, erklärte Dr. Natasha Azzopardi-Muscat, Direktorin der Abteilung Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder im WHO-Regionalbüro für Europa. „Erstens, indem es uns zeigt, inwiefern politischer Wille dazu beitragen kann, den Angeboten der primären Gesundheitsversorgung Vorrang einzuräumen, auch in den am schwersten zu erreichenden Gemeinschaften. Zweitens, indem es auf die Bedürfnisse des in der primären Gesundheitsversorgung tätigen Gesundheitspersonals eingeht, um zu gewährleisten, dass sie unterstützt und in die Lage versetzt werden, eine Grundversorgung mit einer wahrhaft menschlichen Komponente bereitzustellen. Und drittens, indem es Innovationen begrüßt, etwa durch die Nutzung digitaler Tools, und so dazu beiträgt, dass die primäre Gesundheitsversorgung leichter genutzt werden kann, um für die Gesundheit der Menschen zu sorgen, wo und wann immer dies erforderlich ist.“ 

„Das WHO-Regionalbüro für Europa fordert eine umfassende Veränderung der Art und Weise, wie wir über die primäre Gesundheitsversorgung denken und wie wir diese ausführen, beginnend mit der Notwendigkeit, sie durch zweckdienliche Krankenhäuser zu ergänzen und zu unterstützen, die auf die sich verändernden gesundheitlichen Bedürfnisse der Menschen eingehen“, schloss Dr. Kluge. 

„Und während wir uns damit befassen, was als nächstes zu tun ist, sollten die Länder die öffentlichen Gesundheitsausgaben für die primäre Gesundheitsversorgung erhöhen und die Arbeitsbedingungen des in der primären Gesundheitsversorgung tätigen Gesundheitspersonals verbessern, damit auch die nächste Generation von Gesundheitsfachkräften sich für eine Laufbahn in der primären Gesundheitsversorgung entscheidet. 

Als wir die Erklärung von Alma-Ata im Jahr 1978 annahmen, erklärte der damalige WHO-Generaldirektor, Halfdan Mahler: ,Die potenziell größte Energie in der Welt ist die menschliche Energie, und Gesundheit ist der Treibstoff, der sie erzeugen kann‘. Lassen Sie uns auf die Vergangenheit zurückbesinnen, während wir unseren Blick nach vorne richten, und die Vergangenheit mit der Zukunft von Gesundheit verbinden, durch das praktische, umsetzbare Versprechen einer primären Gesundheitsversorgung für alle.“