Es ist ungewöhnlich, dass Patienten zu einer nationalen Politik befragt werden und dann die Ergebnisse zu sehen bekommen. Doch als Slowenien 2021 beschloss, sein zweites Zehn-Jahres-Programm für Diabetes zu entwickeln, war dies eines der Ziele. Das Gesundheitsministerium und das Nationale Institut für öffentliche Gesundheit wollten die Stimmen der Menschen hören, die von Diabetes direkt oder indirekt betroffen sind, sei es beruflich oder als Patienten oder Angehörige. Deshalb gingen sie landesweit eine Partnerschaft mit einer Reihe von Akteuren auf allen Ebenen ein und trugen damit der Tatsache Rechnung, dass Diabetes nicht nur eine gesundheitliche, sondern aufgrund seiner hohen Prävalenz und der schwerwiegenden Folgen auch eine umfassende soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderung darstellt.
An der Ausarbeitung des umfassenden Programms für den Zeitraum 2020–2030 waren Patienten und ihre Verbände, Pflegekräfte, Kliniker, Hochschulfakultäten, Ausbildungsstätten des Gesundheits- und Pflegewesens, Berufsverbände in Bereichen wie Pharmakologie und Augenheilkunde sowie die Nationale Krankenversicherungsbehörde beteiligt. Dieser ehrgeizige Prozess einer sinnvollen Einbindung wurde von einer Lenkungsgruppe aus bis zu 40 Fachleuten überwacht, um in allen beteiligten Kreisen das Bewusstsein zu schärfen.
Diabetes in Slowenien
Wie viele Länder in der Europäischen Region der WHO hat auch Slowenien eine alternde Bevölkerung. 2022 waren in Slowenien nach Schätzungen rund 145 000 Menschen an Diabetes erkrankt, wobei jedes Jahr etwa 10 000 neue Fälle diagnostiziert werden. Die Zahl der Fälle von Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen hat sich in den letzten Jahren stabilisiert, aber die Zahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes oder dafür relevanten Risikofaktoren steigt.
Laut einer vor Kurzem veröffentlichten nationalen Studie sind drei Viertel der Patienten mit Diabetes über 60 Jahre alt und haben einen Body-Mass-Index von über 30. Ein besseres Verständnis dieser Merkmale könnte die Erkennung von anderen Personen mit nicht diagnostiziertem Typ-2-Diabetes erleichtern.
Wie wurde das Diabetesprogramm entwickelt?
Die Lenkungsgruppe tagte insgesamt neunmal. Es wurden Gespräche geführt, E-Mails ausgetauscht und Workshops abgehalten. Die Debatte bewirkte eine Sensibilisierung in sämtlichen Gesundheitsberufen, bezog aber auch die Öffentlichkeit ein.
Der erste Entwurf des Programms wurde mit 150 Seiten als zu lang empfunden. Der Prozess wurde fortgesetzt, und aus Gründen der Ausgewogenheit zwischen gesundheitlichen Belangen und medizinischen Details wuchs das Volumen auf 180 Seiten an. Schließlich wurde der Bericht auf eine überschaubare Größe verkürzt. Es wurde darauf Wert gelegt, dass die Öffentlichkeit das Programm versteht und sich damit auseinandersetzen kann; daher mussten die Begriffe allgemeinsprachlich gehalten und die Botschaften klar formuliert werden. In Zusammenarbeit mit einer Agentur wurden ein Logo und Bildmaterial für eine Kampagne entwickelt, die auf einer Amsel basierten.
Ziele
Die Ziele des Programms sind bekannt: Stärkung der Gesundheit der Bevölkerung, Verzögerung von oder Vorbeugung gegen Typ-2-Diabetes, Verringerung der Komplikationen und der Sterblichkeit aufgrund von Diabetes und Verbesserung der Lebensqualität. Ein weiteres Schlüsselelement ist die kontinuierliche berufliche Weiterbildung des Personals.
Im Zuge der Einbeziehung bildete sich auch ein Konsens in Bezug auf drei Grundsätze, die zeigen, wie wichtig es ist, die Patienten in den Mittelpunkt zu stellen:
- die Befähigung von Menschen mit Diabetes zum Zwecke ihrer Einbeziehung in die Bewältigung ihrer Krankheit durch Schulung, Unterstützung und allgemeine Gesundheitskompetenz;
- die Bekämpfung von Ungleichheiten und die Verbesserung der sozialen Determinanten von Gesundheit; und
- die konsequente Verfolgung eines gemeinschaftsorientierten Ansatzes, um zu einer evidenzbasierten und integrierten Versorgung zu gelangen, die Qualität und Sicherheit gewährleistet und sich an die sich verändernden Bedürfnisse von Menschen mit Diabetes anpassen kann.
Was dann geschah
Seit 2021 konnten landesweit zügige Fortschritte erzielt werden:
- Inzwischen werden systematische Schulungen, Hilfsmittel und Materialien für Angehörige der Gesundheitsberufe zu den neuen nationalen Ernährungsrichtlinien für Diabetes sowie zu einem einheitlichen Behandlungspfad für Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes, einschließlich Versorgung nach der Geburt, bereitgestellt.
- Aufklärung und Befähigung der Patienten wurden ausgeweitet: Seit 2022 haben in ganz Slowenien alle Patienten in der primären Gesundheitsversorgung Anspruch auf Gruppen-Workshops zur Aufklärung, wenn bei ihnen ein Diabetesrisiko besteht.
- Wer bereits an Typ-2-Diabetes erkrankt ist, kann an gezielten Gruppen-Workshops und an einem Gruppenprogramm mit fünf Terminen teilnehmen.
- Mit digitaler Unterstützung wurden strukturierte Schulungsprogramme für Typ-2-Diabetes entwickelt und evaluiert.
- Die nationalen Leitlinien für Diabetes wurden aktualisiert.
Alle zwei Jahre wird der Aktionsplan im Zuge der Überprüfung seiner Umsetzung aktualisiert, und es werden konkrete Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt. Bei diesem pragmatischen Evaluationsansatz werden die verfügbaren routinemäßig erhobenen Daten genutzt und die maßgeblichen Akteure regelmäßig zur Überprüfung der Fortschritte aufgefordert. Er baut auf den im vergangenen Jahrzehnt entwickelten erfolgreichen Arbeitsmethoden auf.
„So wollen wir in Slowenien ein Konzept bzw. ein Programm entwickeln – evidenzbasiert, ressortübergreifend, inklusiv, einschließlich einer sinnvollen Einbeziehung von Menschen mit Diabetes und gestützt auf unsere Werte und Grundsätze zum Abbau von Ungleichheiten im Gesundheitsbereich und zur Berücksichtigung der Determinanten von Gesundheit“, erklärt Vesna Kerstin Petrič, Generaldirektorin bei der Direktion für öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium. „Das übergeordnete Ziel ist natürlich die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit chronischen Erkrankungen.“