Kopenhagen, 28. November 2024
Bei der Routineüberwachung von Abwassersystemen wurde das Poliovirus seit September in drei Ländern der Europäischen Region der WHO (Deutschland, Polen und Spanien) nachgewiesen. Zwar wurden bisher keine Fälle festgestellt, doch unterstreicht das Vorhandensein des Virus die Bedeutung von Impf- und Überwachungsmaßnahmen sowie die anhaltende Gefahr, die jede Form des Poliovirus für Länder in aller Welt darstellt.
„Diese Länder verdienen ein Lob für ihre große Wachsamkeit, die es ihnen ermöglicht hat, diese Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu erkennen und rasch darauf zu reagieren“, sagt Robb Butler, Direktor der Abteilung Übertragbare Krankheiten, Umwelt und Gesundheit bei WHO/Europa. „Während die Untersuchung dieser Nachweise noch andauert, wird die WHO weiterhin mit allen Ländern der Region darauf hinarbeiten, die Poliovirus-Surveillance zu verstärken und für hohe Impfraten zu sorgen.“
Die Europäische Region ist seit 2022 frei von endemischer Poliomyelitis (Polio). Doch solange sich das Poliovirus irgendwo auf der Welt in irgendeiner Form ausbreitet, kann es eingeschleppt werden. Solche Einschleppungen können zu Ausbrüchen führen, wenn das Virus zu ungeimpften Personen gelangt, wie es 2021 in Tadschikistan und der Ukraine und 2022 in Israel und dem Vereinigten Königreich der Fall war.
Alle Länder der Europäischen Region sind auf der Hut vor solchen Einschleppungen, und viele führen eine routinemäßige Überwachung der Abwassersysteme durch, um eine frühzeitige Erkennung zu gewährleisten. Um zu verhindern, dass das Virus in einer Gemeinschaft wieder Fuß fasst, sind gleichbleibend hohe Impfraten unverzichtbar.
Entdeckungen im Jahr 2024
In den vergangenen drei Monaten wurde das zirkulierende vakzine-abgeleitete Poliovirus Typ 2 (VDPV2) in Abwasserproben in Barcelona, Warschau, Köln, Bonn, Hamburg und München nachgewiesen. Das entdeckte Virus ist genetisch mit einem Stamm verwandt, der in Nigeria aufgetreten ist. Dieser Stamm ist in mehreren Ländern außerhalb der Europäischen Region im Umlauf, vor allem in Nord- und Westafrika.
In allen drei Ländern der Europäischen Region wurde das Virus nur aus Umweltproben (Abwasser) isoliert, doch es wurden keine Fälle von paralytischer Polio festgestellt.
„Die WHO unterstützt weiterhin die nationalen und kommunalen Gesundheitsbehörden bei ihren Untersuchungen und der Beobachtung der Situation, einschließlich der Ermittlung etwaiger subnationaler Impflücken, die behoben werden müssten“, fügt Robb Butler hinzu. „Jedes gefährdete Kind muss unbedingt geimpft werden, damit das Virus nicht zu lebenslangen Lähmungen oder gar zum Tod führen kann.“
In Deutschland, Polen und Spanien gibt es eine strenge Seuchenüberwachung und hohe Impfquoten bei Routineimpfungen, die landesweit auf 85 % bis 93 % geschätzt werden. Dabei werden drei Dosen inaktivierter Polioimpfstoff (IPV) verabreicht, der einen hervorragenden Schutz vor durch Polioviren verursachten Lähmungen bietet.
Allerdings gibt es in jedem Land örtliche Häufungen nicht oder unzureichend geimpfter Personen. Als Reaktion auf die Nachweise laufen die Untersuchungen weiter, u. a. durch eine fortgesetzte Krankheitsüberwachung. Um etwaige Lücken zu ermitteln, wurden die Immunitätsniveaus auf der subnationalen Ebene untersucht, und es wurde mit der Immunisierung ungeimpfter Kinder begonnen.
Eradikation der Poliomyelitis
Polio ist eine hochinfektiöse Krankheit, die sich leicht und geräuschlos über weite geografische Gebiete ausbreitet und nicht vor Landesgrenzen Halt macht. Diese Nachweise machen erneut deutlich, wie dringend notwendig die Eradikation aller Formen des Poliovirus ist.
Um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern, unterstützt WHO/Europa gemeinsam mit anderen Partnern im Rahmen der Weltweiten Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung weiterhin die nationalen und kommunalen Gesundheitsbehörden bei ihren Untersuchungen und bei der Beobachtung der Situation sowie bei der Reaktion auf Virusnachweise.