In einigen Ländern der Europäischen Region der WHO wird der Tabakanbau nach wie vor subventioniert. Diese Zahlungen bieten Bauern einen Anreiz, große Flächen fruchtbaren Bodens für den Anbau von Tabak statt gesunden Nahrungsmitteln zu nutzen, obwohl Tabak nachweislich negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen ebenso wie die Umwelt hat. Deviseneinnahmen aus dem Export von Tabak werden zudem genutzt, um teure verarbeitete Lebensmittel zu importieren, während der Tabakanbau zu Bodenerosion und Wüstenbildung führt und zur Ernährungsunsicherheit beiträgt.
Zu den durch den Tabakanbau verursachten Umweltschäden zählt auch der irreversible Verlust kostbarer Rohstoffe. Wälder, Pflanzen und Tierarten werden durch den Verlust von Lebensraum bedroht, wenn Land für den Tabakanbau gerodet wird. Tabak verringert die Fruchtbarkeit des Bodens und erschwert damit den Anbau von Kulturpflanzen für die Nahrungsmittelproduktion. Darüber hinaus werden für den Tabakanbau große Mengen chemischer Dünger genutzt, die in nahegelegene Wasserquellen sickern und dort zu Fischsterben führen und das Trinkwasser für Menschen und Tiere gleichermaßen verunreinigen.
„Die Abwendung vom Tabakanbau und die Hinwendung zum Anbau unterschiedlicher Kulturpflanzen hat für Bauern, Unternehmen und Länder offensichtliche Vorteile“, erklärt Dr. Gauden Galea, Strategischer Berater des WHO-Regionaldirektors für Europa.
„Durch die Förderung der Diversifizierung in der Landwirtschaft wird die gesundheitliche Belastung für Bauernfamilien reduziert, die andernfalls schweren Chemikalien und Nikotin ausgesetzt sind, und verbessert zudem das Einkommen sowie den Lebensstandard. Darüber hinaus führt sie längerfristig zu einer Verbesserung der Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit.“
Abwendung von Tabak-Subventionen
Im Jahr 2020 gab Nordmazedonien rund 32 Mio. US-$ für Tabak-Subventionen aus, ein unverhältnismäßig hoher Betrag im Vergleich zu Viehzucht, Obstplantagen, Milchwirtschaft sowie dem Anbau von Feldfrüchten und Gartenbauerzeugnissen. Tabakbauern im Land verdienen weniger als das durchschnittliche Monatsgehalt, und der mit dem Tabakanbau verbundene hohe Arbeitsaufwand bedeutet, dass sie den größten Teil ihres Tages damit verbringen, sich um die Pflanzen zu kümmern. Die gesellschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen des Tabakanbaus sind hoch, da Tabakbauern und ihre Familien unter den Folgen einer Nikotinvergiftung durch Tabakstaub leiden, wodurch auch die Gesundheitskosten der betreffenden Haushalte steigen.
Direktzahlungen für Tabak sowie Subventionsregelungen sind auch in anderen Ländern des Westbalkans verbreitet, darunter Bosnien und Herzegowina und Montenegro. In der Schweiz erhielten Tabakbauern im Zeitraum zwischen 2015 und 2020 insgesamt 32,62 Mio. US-$ an direkten Subventionen. Unterdessen sind die an Tabakbauern in Bulgarien gezahlten nationalen Subventionen mehr als dreimal so hoch wie der Wert des produzierten Tabaks. Das bulgarische Programm für die ländliche Entwicklung ermutigt Bauern in ländlichen Gegenden jedoch dazu, auf nicht-landwirtschaftliche Aktivitäten und agronomische Anbaumethoden umzustellen, die zu einer erhöhten Biodiversität der Böden und einer verbesserten Bodenstruktur und Bodengesundheit führen.
Einige größere Dörfer im Südwesten Bulgariens, die einst etablierte Tabakanbaugebiete waren, haben in den letzten Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Bauern in diesen Gebieten haben erfolgreich auf den Anbau von Nüssen und Beeren oder die Tierhaltung umgestellt und sich vom Tabakanbau abgewendet. Dadurch ist ihr Lebensstandard gestiegen, und Tabak spielt nun eine unbedeutende Rolle in der landwirtschaftlichen Produktion Bulgariens.
Vielfältige Lebensgrundlagen unterstützen
In der Türkei stoppte die Regierung ihr Subventionsprogramm für Tabak im Jahr 2002 und leitete stattdessen Gelder in ein Programm, das den Anbau alternativer Kulturpflanzen unterstützt. Ohne die staatlichen Subventionen waren viele Tabakbauern nicht in der Lage, ihre Produktion fortzuführen, was dazu führte, dass die Zahl der Tabakbauern zurückging.
Dem Ministerium für Land- und Forstwirtschaft zufolge führte das Programm, über das finanzielle Unterstützung für den Anbau alternativer Kulturpflanzen und direkte Geldzuweisungen für entgangenes Einkommen geleistet wurden, dazu, dass 30 % der zuvor für den Tabakanbau genutzten Flächen nun für andere landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Darüber hinaus führte es zu einem Anstieg des Tourismus, der Treibhauserzeugung, des Viehbestandes und der Milchwirtschaft. Zudem zogen viele Menschen in die betreffenden Provinzen, was in diesen Gegenden die industrielle Entwicklung förderte.
Erfahrungen aus Ländern wie Bulgarien und der Türkei zeigen, dass ein Umstieg auf alternative Kulturpflanzen nicht nur möglich, sondern auch lukrativ sein kann und zudem eindeutige gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Vorteile für die betreffenden Akteure mit sich bringt.