In der Europäischen Region der WHO gibt es in insgesamt 32 Länderbüros 17 weibliche Führungskräfte, darunter geschäftsführende Leiterinnen und Sonderbeauftragte. Wir sprechen mit zweien von ihnen, um herauszufinden, was ihre Leidenschaft für die Verbesserung der Gesundheit antreibt.
Ein Leben lang im Dienste der Gesundheit von Frauen: Dr. Nino Berdzuli
Dr. Nino Berdzuli erinnert sich noch genau an den Moment, in dem sie wusste, dass sie Ärztin werden wollte: Als sie zu ihrem fünften Geburtstag ein Spielzeugstethoskop bekam, tat sie so, als würde sie den Herzschlag eines Babys abhören. Als Medizinerin der dritten Generation wurde ihr klares Engagement für die Gesundheit von Frauen dadurch belegt, dass sie sich für eine Spezialisierung auf die Bereiche Geburtshilfe und Gynäkologie entschied.
Als ausgebildete Geburtshelferin und Gynäkologin war Dr. Berdzulis ursprünglicher Plan, nur in der direkten Patientenversorgung zu arbeiten. Doch die gesundheitlichen Ungleichheiten, die sie in ihrem Heimatland Georgien erlebte, veränderten ihre Sichtweise.
„Als ich zu arbeiten begann, hatte Georgien eine der höchsten Abtreibungsraten der Welt“, sagt Dr. Berdzuli. „Ich behandelte Patienten, die bis zu 25 Abtreibungen hatten. Die Zuständigkeit für die Bereitstellung von Verhütungsmitteln und Familienplanung lag ausschließlich bei Geburtshelfern und Gynäkologen, und da für Abtreibungen höhere Honorare gezahlt wurden, hatten diese wenig Anreiz, Familienplanung anzubieten. Viele Frauen hatten falsche Vorstellungen von modernen Verhütungsmethoden, und in Verbindung mit dem Fehlen entsprechender Angebote in ländlichen Gebieten schien die Herausforderung enorm zu sein.“
Sie fährt fort: „Anfang bis Mitte der 2000er Jahre war ich einer der führenden Köpfe bei der Liberalisierung von Familienplanungsangeboten im Land und leitete einen Prozess zur Änderung der Politik und zur Einführung von mehr Kapazitäten und Schulungen für Gesundheitsanbieter, damit Frauen diese Angebote über ihre Hausärzte in Anspruch nehmen konnten. Es war nicht leicht, aber mit Geduld und Beharrlichkeit haben wir es geschafft.“
Da sie aus erster Hand erfahren hatte, inwiefern sich ein Mangel an Angeboten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit auf das Leben von Frauen auswirken kann, betrachtet Dr. Berdzuli dieses Thema als einen der Schwerpunkte ihrer Rolle als Repräsentantin der WHO in der Republik Polen. „Ich möchte, dass jede einzelne polnische Frau Zugang zu den Instrumenten hat, mit denen sie ihre Schwangerschaft planen kann, und sie auch das Recht dazu hat“, sagt sie. „Ob es sich dabei um die Finanzierung von Fruchtbarkeitsbehandlungen oder um rezeptfreie Notfallverhütungsmittel zur Verhinderung einer ungeplanten Schwangerschaft handelt – alle Daten zeigen, dass es sich positiv auf die gesamte Gesellschaft auswirkt, wenn Frauen ihre Familie selbst planen können.“
Während ihrer gesamten Laufbahn war Dr. Berdzuli stets bestrebt, ihre Entscheidungen auf einen übergeordneten Faktor zurückzuführen: die direkte Auswirkung auf den Patienten und dessen Zugang zur Medizin. Die Arbeit in Ländern mit niedrigem Einkommen, sei es in Afrika, Südostasien oder den Vereinigten Staaten von Amerika, hat ihr die Augen für die harte Realität der Ungleichheiten geöffnet.
An einem Ort, an dem das Gesundheitssystem in ländlichen Gebieten viel weniger entwickelt war als in städtischen Gebieten, besuchte Dr. Berdzuli abgelegene Gebiete, in denen die meisten Geburten von gemeindenahen Gesundheitshelfern betreut wurden und die nächste Entbindungsstation zwei Tage Fußmarsch entfernt lag. Sie war überrascht zu sehen, dass Menschen, die keine ausgebildeten Gesundheitsfachkräfte waren, bestimmte Medikamente verabreichten, die bei unsachgemäßer Anwendung komplizierte Nebenwirkungen haben können.
„Es war eine unmögliche Situation“, erklärt sie. „Ich hatte noch nie ein solches Ausmaß an Sterblichkeit aufgrund nachgeburtlicher Blutungen gesehen. Es gibt Medikamente, die den Tod von Frauen verhindern können, aber wenn die nächste Einrichtung, in der sie von einem ausgebildeten Arzt oder einer ausgebildeten Hebamme sicher behandelt werden können, zwei Tage Fußmarsch entfernt liegt, ändert sich die Perspektive völlig.“
„Die vielleicht überraschendste Erfahrung erlebte ich während meiner klinischen Fellowship-Zeit in Atlanta (Georgia) in den Vereinigten Staaten. Obwohl es dort unglaublich gut ausgestattete Krankenhäuser und ein hohes Versorgungsniveau gibt, waren die gesundheitlichen Ungleichheiten in den Vereinigten Staaten genauso ausgeprägt wie in weniger entwickelten Ländern“, sagt Dr. Berdzuli. „Ich habe in Gemeinschaften gearbeitet, in denen viele Mütter erst in einem sehr späten Stadium der Schwangerschaft oder überhaupt keine vorgeburtliche Versorgung erhielten. Diese Erfahrung hat mich darin bestärkt, dass es meine Pflicht als politische Entscheidungsträgerin ist, die Gemeinschaften, denen wir dienen, gut zu kennen, die Ursachen für Ungleichheiten zu verstehen und dazu beizutragen, diese zu beseitigen.“
Dr. Berdzuli sieht es als ihre persönliche Mission an, Gebärmutterhalskrebs in Polen und überall sonst zu eliminieren.
„Ich werde nie eine Patientin mit Gebärmutterhalskrebs im späten Stadium vergessen, die Mutter einer 6-jährigen Tochter war. Ihre kleine Tochter fragte mich, ob ich ihre Mutter retten könne, und es brach mir das Herz, dass der Krebs trotz der Möglichkeiten zur Impfung, Früherkennung und Behandlung im frühen Stadium bereits zu weit fortgeschritten war. Es gab so viele große Errungenschaften und technologische Fortschritte bei der Frühdiagnose und Behandlung dieser Krankheit, dass ich meine Rolle als politische Entscheidungsträgerin darin sehe, sicherzustellen, dass wir diese Technologien optimieren, damit nicht noch mehr Kinder ihre Mütter verlieren.“
Ein Bekenntnis zur Linderung von Leid: Dr. Marthe Everard
Obwohl sie die niederländische Staatsbürgerschaft hat, wurde Dr. Marthe Everard, die Sonderbeauftragte des WHO-Regionaldirektors für Europa in Armenien, in Singapur geboren. Sie studierte schließlich Pharmazie in Amsterdam, wusste aber, dass sie auf internationaler Ebene arbeiten wollte. „Ich hatte schon immer die Vorstellung, dass ich etwas Nützliches tun wollte, was auch immer das sein mochte, und dass ich gerne ins Ausland gehen würde“, sagt sie.
Aus ihrer anfänglichen Forschung im Bereich der Lepra entwickelte sich eine Leidenschaft für die öffentliche Gesundheit. Mit ihrer pharmazeutischen Ausbildung wurde Dr. Everard als Nachwuchskraft (Junior Professional Officer) in das Programm für unentbehrliche Arzneimittel der WHO aufgenommen. Es folgten Stationen in Ost-, West- und Nordafrika, wo sie am Arzneimittelverteilungssystem arbeitete, die rationelle Verwendung unentbehrlicher Arzneimittel in das Programm für die primäre Gesundheitsversorgung integrierte und WHO-Studien über die Klimatoleranz von Arzneimitteln in Wüstengebieten koordinierte.
„In den Ländern, in denen ich gearbeitet habe, hatte ich als Frau nie Probleme“, fügt sie hinzu. „Ich wurde immer respektiert. Selbst als Frau hatte ich den Status eines männlichen Experten, so dass ich mich nie in einer unangenehmen Lage wiederfand. Das gab mir den Antrieb, weiterzumachen.“
Dennoch ist sie froh, dass sich die WHO in den letzten 10–20 Jahren für eine stärkere Gleichstellung der Geschlechter eingesetzt hat.
„Wenn man eine Diskussion inklusiv gestaltet und Frauen wie auch Männer sowie alle Partner einbezieht, kommt man gemeinsam ans Ziel“, sagt sie.
In ihrer ersten Funktion als Repräsentantin der WHO in Somalia wurde eine dauerhafte Leidenschaft geweckt: die Schmerzbehandlung. „Damals gab es keine vernünftigen Schmerzmittel, und wenn Menschen operiert wurden, mussten sie einfach auf einen Stock zwischen den Zähnen beißen“, erzählt sie. „Die Wut, die ich angesichts dieser Situation empfand, gab mir so viel inneren Antrieb. Ich war so wütend, dass ich mir sagte: ,Ich muss hier etwas tun‘.“
In Somalia erlebte sie aus erster Hand, inwiefern Frauen und junge Mädchen in Notlagen besonders gefährdet sein können, aber sie war auch beeindruckt von der Innovationskraft der Frauen, ihrer Fürsorge für ihre Kinder und der Bedeutung der Gemeinschaft. Weitere Erfahrungen mit Notsituationen folgten, als sie als Repräsentantin der WHO in der Ukraine die Bereitstellung von Hilfsgütern für den damals festgefahrenen Konflikt in der Donbas-Region überwachte.
Nach einer langen Karriere ging Dr. Everard Ende 2018 in den Ruhestand, wurde aber für einen kurzfristigen Einsatz als Repräsentantin der WHO in Tadschikistan (2019) und anschließend in Armenien (2023–24) zurückgerufen. Sie hat die gesundheitlichen Notfallmaßnahmen im jüngsten Konflikt in der Region Bergkarabach überwacht, darunter auch die Unterstützung der WHO bei der Versorgung von Brandopfern, die von der Explosion in einem Treibstofflager betroffen waren. Unterstützt von einem starken, überwiegend weiblichen Team sorgt sie für die Fortführung der Gesundheitsprogramme und Entwicklungsmaßnahmen des WHO-Länderbüros in Armenien und unterstützt gleichzeitig die dringend benötigten psychosozialen Dienste und Angebote der psychischen Gesundheitsversorgung im ganzen Land.
„Es gibt mir wirklich Energie, in diesem Länderteam zu arbeiten, seine Ambitionen zu erleben und die Geschichten der Teammitglieder zu hören“, sagt sie. „Es ist ein sehr komplexes Land, historisch und geopolitisch. Es gibt mir Auftrieb, dass jeder Tag anders ist.“
Sie fährt fort: „Die Rolle einer Repräsentantin der WHO ist sehr interessant – man arbeitet eng mit dem Gesundheitsministerium zusammen und unterstützt es bei seinen Aktivitäten. Man arbeitet mit Gesundheitspartnern und anderen Organisationen der Vereinten Nationen zusammen und interagiert mit Gebern. Es gefällt mir sehr.“
Nach ihrem Einsatz in Armenien plant sie, ihrer Leidenschaft für einen besseren Zugang zur Schmerzbehandlung nachzugehen, insbesondere in der Palliativversorgung. Darüber hinaus agiert sie als Mentorin für junge Fachkräfte, sowohl für Männer als auch für Frauen, und nutzt ihre reichen beruflichen Erfahrungen, um ihnen bei der Gestaltung ihrer künftigen Laufbahn bei der WHO behilflich zu sein.