Kopenhagen, 9. Oktober 2023
Während der Herbst allmählich in den Winter übergeht, senden das WHO-Regionalbüro für Europa, die Europäische Kommission und das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten eine ebenso klare wie dringliche Botschaft: Wer weiterhin gegen COVID-19 und die saisonale Grippe ungeschützt ist – insbesondere die am stärksten gefährdeten Gruppen –, sollte jedes Impfangebot wahrnehmen, um die Auswirkungen dieser gemeinsam auftretenden Atemwegsinfektionen zu verhindern oder abzuschwächen.
Die vergangene Herbst- und Wintersaison war unberechenbar. Vergangenen Winter waren sehr junge und sehr alte Menschen am stärksten von der kumulativen Wirkung von Influenza, COVID-19 und respiratorischen Synzytial-Viren (RSV) betroffen. Pädiatrische und intensivmedizinische Abteilungen bekamen dies deutlich zu spüren, und es wurde eine erhöhte Sterblichkeit beobachtet. Auch wenn es gerade ruhig zu sein scheint, müssen wir doch in diesem Herbst gemeinsam darauf hinarbeiten, eine übermäßige Sterblichkeit zu verhindern, indem wir die am meisten gefährdeten Gruppen in der Bevölkerung schützen: Menschen mit Komorbiditäten, Personen mit geschwächtem Immunsystem, ältere Menschen und schwangere Frauen.
Schwerpunkt auf schutzbedürftigen Gruppen
Im Rahmen seiner Herbst- und Winterimpfkampagne gegen Atemwegsinfektionen empfiehlt WHO/Europa den Ländern, sowohl die COVID-19- als auch die Influenza-Impfung für Bevölkerungsgruppen mit einem höheren Risiko für schwere Erkrankungen leicht zugänglich zu machen.
Über 90 % der gemeldeten Todesfälle aufgrund von COVID-19 entfallen auf Personen über 65 Jahre. Doch aus den Daten, die WHO/Europa von den 53 Mitgliedstaaten erhalten hat, geht hervor, dass weniger als zwei Drittel (63 %) dieser Gruppe eine erste COVID-19-Auffrischungsimpfung erhalten haben und dass besorgniserregenderweise nur 29 % ihre zweite Dosis erhalten haben. Doch neben der Gesamtzahl der verabreichten COVID-19-Impfdosen gilt es nun darauf zu achten, wann gefährdete Personen und Gruppen ihre letzte Dosis erhalten haben – Informationen, die den Ländern bei der Messung und Rückverfolgung von Durchimpfung und Wirksamkeit des Impfstoffs behilflich sein werden. Die WHO empfiehlt, vorrangigen Gruppen wie älteren Menschen, Personen mit geschwächtem Immunsystem und schwangeren Frauen je nach Grad ihrer Gefährdung sechs bis zwölf Monate nach ihrer letzten Dosis eine weitere Dosis anzubieten.
„COVID-19 und Influenza sind nach wie vor schwerwiegende Krankheiten, vor allem für die am meisten gefährdeten Menschen, namentlich diejenigen, die ihre Impfung noch nicht abgeschlossen haben“, erklärt Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Hierzu habe ich drei zentrale Botschaften: Erstens verfügen wir über wirksame, von der WHO aufgelistete und auf nationaler Ebene zugelassene Impfstoffe, und für die mit COVID-19 Infizierten über eine wirksame Behandlung zur Bekämpfung der Symptome. Die Länder sollten die Verabreichung von Auffrischungsimpfungen gegen COVID-19 nicht aufschieben, um den Zugang zu neuen oder aktualisierten Impfstoffen abzuwarten, die vielleicht erst nach einiger Zeit allgemein verfügbar sein werden. Zweitens bleibt die Überwachung auf COVID-19, einschließlich der Abwasserüberwachung auf SARS-CoV-2, von entscheidender Bedeutung; wenn wir das Virus nicht aufspüren können, operieren wir im Grunde im Dunkeln. Und schließlich müssen wir uns auch auf die Luftqualität und die Belüftung in Innenräumen konzentrieren, wenn wir uns auf die kälteren Monate zubewegen. Wirksame Maßnahmen in diesem Bereich können viel dazu beitragen, eine Infektion zu verhindern und Menschenleben zu retten.“
Der Aufruf, sich impfen zu lassen, gilt auch für Angehörige der Gesundheitsberufe, die selbst einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind und auch ihre Patienten schützen müssen. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen sollten ihre primäre COVID-19-Impfserie abschließen, sofern sie dies noch nicht getan haben, und, falls sie dafür in Frage kommen, vor dem Winter eine zusätzliche Dosis erhalten.
„Die Impfung bleibt unser stärkstes Mittel im Kampf gegen Influenza und COVID-19. Es kommt entscheidend darauf an, dass vor der Wintersaison gezielte Impfkampagnen durchgeführt werden, um Risikogruppen zu erreichen, auch mit der Option, die Impfungen mit einer Auffrischungsimpfung gegen COVID-19 zu kombinieren“, erklärt Stella Kyriakides, Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bei der Europäischen Kommission.
„In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, wie wichtig es ist, einen einfachen Zugang zu Impfungen sicherzustellen, die Bevölkerung einzubeziehen und die Bürger durch klare Kommunikationskampagnen auf dem Laufenden zu halten. Jetzt ist wieder die Zeit des Jahres, um mit vereinten Kräften für den Nutzen von Impfungen zu werben und die am meisten gefährdeten Menschen, aber auch unsere Gesundheitssysteme zu schützen. Kliniker sollten auch dazu ermutigt werden, den frühzeitigen Einsatz verfügbarer antiviraler Behandlungen für COVID-19, RSV und Influenza in Betracht zu ziehen, um schwere Erkrankungen zu verhindern. Die Kommission hat auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur vor Kurzem zwei angepasste COVID-19-Impfstoffe sowie zwei neue Impfstoffe und ein Medikament zum Schutz von sehr jungen und älteren Menschen gegen RSV zugelassen.“
Es gibt einfache Maßnahmen, die wir alle ergreifen können, um uns selbst und andere im kommenden Herbst und Winter vor Atemwegsinfektionen zu schützen, z. B. eine gute Atemwegshygiene, indem wir bei Unwohlsein eine Maske tragen, in den Ellbogen oder in ein Taschentuch husten, bei Krankheit zu Hause bleiben und in geschlossenen Räumen für gute Belüftung sorgen. Zusammen mit der Impfung können diese Maßnahmen dazu beitragen, Infektionen zu vermeiden und die Belastung für das Gesundheitssystem im Herbst und Winter zu verringern.
Verstärkte Überwachung und Berichterstattung gehen Hand in Hand mit Impfungen
Der Schutz der Bevölkerung erfordert auch eine gute Kenntnis darüber, welche Viren wo zirkulieren. Während die Europäische Region die akute Phase der Pandemie hinter sich lässt, wird die Surveillance deutlich reduziert. WHO/Europa und seine Partnerorganisationen fordern die Länder in Europa und Zentralasien eindringlich auf, im Winter die Surveillance-Systeme für Atemwegsviren in der Bevölkerung, in der primären Gesundheitsversorgung und in den Krankenhäusern zu verstärken, anstatt sie zu reduzieren.
„Surveillance und Meldung spielen eine entscheidende Rolle in unserem laufenden Kampf gegen COVID-19, insbesondere während der Wintersaison, wenn gleichzeitig andere Atemwegsviren zirkulieren. Zweckdienliche und gut funktionierende Surveillance-Systeme in allen europäischen Ländern sind von entscheidender Bedeutung, da sie für eine solide Datenbasis sorgen, wie wir sie für eine effektivere Planung und Durchführung von Kampagnen und Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit benötigen“, betont Dr. Andrea Ammon, Leiterin des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten.
Während die Zahl der COVID-19-Todesfälle und der auf Intensivstationen eingewiesenen Personen seit dem Höhepunkt der Pandemie erheblich zurückgegangen ist, beginnen die Krankenhauseinweisungen in einigen Ländern der Europäischen Region wieder anzusteigen, insbesondere dort, wo die Durchimpfung weiterhin niedrig ist.
Fälle bei Menschen mit einem höheren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf müssen frühzeitig erkannt und nach Möglichkeit behandelt werden. Kliniker sollten auch in die Lage versetzt werden, den frühzeitigen Einsatz verfügbarer antiviraler Behandlungen für COVID-19, RSV und Influenza in Erwägung zu ziehen, um einen schweren Krankheitsverlauf zu verhindern. Die Krankenhäuser sollten planen, wie sie bei einem plötzlichen Anstieg der Fallzahlen die Versorgung aufrechterhalten können.
In den kommenden Monaten wird das Risiko von COVID-19, Influenza und anderen Atemwegsinfektionen in der Europäischen Region steigen. Die bereits überlasteten Gesundheitssysteme und das erschöpfte Gesundheitspersonal werden dann noch stärker unter Druck geraten. Der Schutz der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft bei gleichzeitigem Schutz der Gesundheitssysteme vor Überlastung ist der klügste Ansatz.