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Vom Saatbeet zum Zigarettenstummel – der Weg des Tabaks, der Schaden und umfassende Ungerechtigkeit mit sich bringt

31 May 2023
Pressemitteilung
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„Bei der Tabakbekämpfung verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der vom Saatbeet bis zum Zigarettenstummel reicht“, erklärt Sonja von Eichborn, Direktorin des Projekts „Unfairtobacco“. Sie erläutert, inwiefern das Projekt, das von Blue21 – einer in Deutschland ansässigen nichtstaatlichen Organisation – gegründet wurde, zeigen will, wie die Tabakindustrie Bauern, Verbrauchern und der Umwelt schadet. 

„Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der Gedanke der Ungerechtigkeit. Wenn wir Workshops in Schulen organisieren, stellen wir fest, dass die meisten Schüler wissen, dass Rauchen ungesund ist, sie aber oft nicht wissen, wo das Produkt, der Tabak, herkommt. Sie sind erstaunt, wenn sie herausfinden, dass der Tabakgebrauch nicht nur ein gesundheitliches Problem darstellt.“

Über 90 % des weltweiten Tabaks wird in Ländern mit niedrigem und mittlerem Volkseinkommen angebaut, und zwar zumeist von Kleinbauern, die auf unbezahlte Familienarbeit zurückgreifen müssen, um über die Runden zu kommen, und so zur Kinderarbeit beitragen. Der Tabakanbau trägt zudem zu sozialen Ungerechtigkeiten bei, etwa Nahrungsmittelunsicherheit, Umweltschäden und Klimawandel. 

„Tabak hat Folgen für Menschen und Umwelt überall auf der Welt, von der Nutzung von Pestiziden und Kinderarbeit beim Tabakanbau bis hin zur Ungerechtigkeit des Passivrauchens“, erläutert Sonja. „Wir unterstützen die Überzeugungsarbeit der WHO zur Finanzierung alternativer Existenzgrundlagen, denn das ist ein großes Problem, für das sich die Regierungen nicht genug einsetzen.“

Alternativen fördern

Tabakbauern seien nicht der Feind, sondern das schwächste Glied im System des Tabakhandels, und sie bräuchten Unterstützung von Regierungen und wohlhabenden Ländern, um sich aus dem Tabakanbau zurückzuziehen, führt Sonja fort. „Das Problem ist, dass die Länder Waren exportieren müssen, und Tabak erzielt einen hohen Umsatz. Die Bauern müssten auf andere Exportgüter umsteigen. Und das ist schwierig.“

In diese Richtung seien bereits Schritte unternommen und Projekte gestartet worden, die gut funktionieren, bemerkt Sonja, doch es gebe noch viele Hindernisse. Eines davon sei die Notwendigkeit für einkommensschwächere Länder, Exporteinnahmen zu erzielen, um Staatsschulden abzubezahlen, ein weiteres die Einmischung der Tabakindustrie. Dann ist da noch das Thema Nachhaltigkeit.

„Tabak kann im Notfall nicht verzehrt werden. Er ist für die Gemeinschaft, in der er angebaut wird, nicht nachhaltig“, betont Sonja. „Wenn man biologische Nahrungsmittel anbaut, die lokal verkauft werden, dann kann das nachhaltig sein, wenn die Menschen die Nahrungsmittel kaufen oder wenn die Nahrungsmittel zum Beispiel an ein Schulspeisungsprogramm verkauft werden können, aber der Anbau wird nicht wirtschaftlich nachhaltig für ein ganzes Land sein.“

Als Antwort auf diese Herausforderungen hat Unfairtobacco gemeinsam mit internationalen Partnern die Kapstadt-Erklärung für Menschenrechte und eine tabakfreie Welt initiiert, die von über 150 Organisationen unterzeichnet wurde. Darüber hinaus unterstützt Unfairtobacco das Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (WHO FCTC), in dessen Rahmen Regierungen aufgefordert werden, Alternativen zum Tabakanbau zu fördern.

Nachhaltigkeit und Wandel

„Man muss vom Tabakanbau abrücken, denn er hat eine verheerende Kohlenstoffbilanz. Beim Tabakanbau wird eine Menge Wasser verbraucht und er verursacht erhebliche Umweltprobleme“, beharrt Sonja. „Wenn wir uns den CO2-Fußabdruck der Zigaretten-Industrie anschauen, sehen wir, dass 78 % der Kohlenstoffemissionen beim Tabakanbau und der Tabaktrocknung entstehen, nicht in Fabriken oder beim Vertrieb, sondern durch die Nutzung von Pestiziden und die Abholzung und Verbrennung von Wäldern als Brennstoff.“

Doch eine Monokultur durch eine andere zu ersetzen, wie etwa den Anbau von Sojabohnen als Futtermittel in der Geflügelzucht, ist keine Lösung für die wichtigste Frage, die in Verbindung mit Alternativen zum Tabakanbau aufkommt: ist die Alternative nachhaltig – für die Umwelt, die Wirtschaft, die Gesellschaft oder die Gemeinschaft, dort wo der Anbau erfolgt? Ist sie widerstandsfähig gegenüber den Folgen des Klimawandels?

„Bauern in wohlhabenden Ländern können ihr Land für Solarzellen nutzen“, bemerkt Sonja. Doch die erforderlichen Investitionen seien zu hoch für einen Kleinbauern, der nur über ein Hektar Ackerfläche verfügt, erklärt sie. „Aus diesem Grund müssen die Regierungen Bauern finanziell unterstützen, um andere Einnahmequellen zu erschließen“, beharrt sie und verweist darauf, dass der Tabakanbau zudem sehr arbeitsintensiv ist, und die Menschen keine Neuerungen einführen können, wenn sie müde und krank sind.

Sonja fordert nachdrücklich, dass die Länder, die bei der Tabakbekämpfung eine Vorreiterrolle einnehmen, den Kampf in anderen Ländern unterstützen müssen. Als Organisation trägt Unfairtobacco Artikel zusammen, um unterschiedliche alternative Projekte aufzuzeigen, die weltweit umgesetzt werden. Ihre Karte solle eher als Sammlung von Ideen und Möglichkeiten dienen denn als Forschungsdatenbank, sagt Sonja. „Ich würde mir wünschen, dass Regierungen in Ideen investieren und sagen ,Okay, lasst uns schauen, ob das funktioniert‘, und wenn eine Idee funktioniert, diese dann für andere Länder, in denen Tabakbauern diese am nötigsten für ihre Existenzgrundlage brauchen, leicht zugänglich machen.“

„Wir sind darum bemüht, hier in Deutschland einer breiten Öffentlichkeit die Botschaft zu vermitteln, dass die Dinge, die wir in unserem Leben nutzen, anderswo auf der Welt einen Fußabdruck hinterlassen, und dass wir unsere Art zu leben ändern müssen, um einen Wandel in anderen Ländern zu fördern.“