Die 42-jährige Nataliia Borodina ist als Kulturmediatorin in Brașov (Rumänien) tätig. Sie möchte unbedingt ihren Landsleuten helfen – umso mehr, als sie aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig es sein kann, in einem fremden Land Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erhalten. Kurz nach ihrer Ankunft in Rumänien bekam sie eine Ohrenentzündung und musste nach einem anfänglichen Missverständnis mit ihrem Arzt in Brașov für die Behandlung in die Ukraine zurückkehren.
„Ich glaube, es ist wichtig, die Gesundheitsversorgung so weit wie möglich in Ukrainisch zur Verfügung zu stellen. So können Missverständnisse zwischen Patienten und Gesundheitspersonal vermieden und potenzielle Diagnose- und Behandlungsfehler weitgehend abgewendet werden.
Nataliia, die beruflich in den Bereichen kulturelle Dienstleistungen und Psychologie tätig ist, hatte an der Nationalen Polytechnischen Universität Odessa in der Ukraine unterrichtet und freiwillige Arbeit mit Binnenvertriebenen geleistet, darunter Menschen mit Behinderungen und Personen, die Zugang zur psychischen Gesundheitsversorgung suchten.
Nataliia hatte vor dem Krieg während eines Urlaubs mit ihrer Familie Brașov besucht und freute sich über ihre Rückkehr in die Stadt mit ihrem zehnjährigen Sohn. Auch wenn ihr Mann die Ukraine nicht verlassen kann, so sieht sie doch ihre Situation entschlossen optimistisch und macht schon Listen von Orten, die sie mit der Familie besuchen möchte, wenn ihr Mann wieder reisen kann.
Diese positive Einstellung spiegelt sich auch in Nataliias Arbeit am Cattia-Zentrum wider, wo sie ukrainischen Flüchtlingen Techniken für den Umgang mit der durch ihre Situation bedingten Stressbelastung vermittelt. Sie organisiert auch Gruppen- und Einzelsitzungen für Ukrainer, namentlich für junge Mütter, Jugendliche und Kinder.
Bisher wollen etwa 400 Personen an Aktivitäten in den Bereichen psychische Gesundheit und psychosoziale Betreuung teilnehmen, sodass Nataliia für die verschiedenen Gruppen ein vielfältiges Programm gestaltet hat. Die Stressbewältigungsmaßnahmen für Kinder bestehen vor allem aus Geschichtenerzählen und Musiktherapie. Für Jugendliche werden Kunsttherapie, Brettspiele und Übungen in kritischem Denken zur Bekämpfung von Fehlinformationen und zur Stressbekämpfung angeboten. Mütter und Kinder werden auch in Techniken wie Muskelentspannung unterwiesen.
Kunsttherapie bringt weitreichenden gesundheitlichen Nutzen für Personen, der sich auch auf ihre Familien und das gesellschaftliche Umfeld übertragen kann. Die WHO hat zwingende Belege dafür gesammelt, dass künstlerische Tätigkeiten mit Verbesserungen in Bezug auf psychische Gesundheit, Krankheitsprävention, Gesundheitsförderung, die Bewältigung bestimmter Gesundheitsprobleme und Krankheiten sowie soziales Wohlbefinden verbunden sind.
Obwohl die ukrainischen Flüchtlinge in Rumänien physisch in Sicherheit sind, haben doch viele von ihnen extreme traumatische Erlebnisse wie den Verlust von Kindern oder anderen Familienangehörigen zu verarbeiten. Manchen Menschen wurde ihr Zuhause zerstört, sodass sie keinen Ort haben, an den sie nach dem Krieg zurückkehren können. Vielen der Mütter fällt es schwer, ihren Kleinkindern zu erklären, warum sie gezwungen waren, ihre Väter, ihr Zuhause und ihr altes Leben zurückzulassen. Psychosoziale Unterstützung kann Menschen dabei helfen, ihre Lebensrealität zu bewältigen und ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen.
Neben ihrer Tätigkeit im Cattia-Zentrum hilft Nataliia den ukrainischen Flüchtlingen in Brașov allgemein durch Aufklärung. Sie engagiert sich auf dem Telegram-Kanal „Brașov für Ukrainer“, der praktische Tipps gibt, etwa zu „Orten der Stressbewältigung in Brașov” oder zu kostenlosen Museumsbesuchen für Flüchtlinge. Außerdem stellt Nataliia auch Informationen über Stressminderung und über Wege zur Sicherung von Unterstützung durch Mitbürger in schwierigen Zeiten ins Netz.
„Mit der Unterstützung unserer ukrainischen Kulturmediatoren konnte das Team der WHO in Rumänien eine erhebliche Lücke bei der Erleichterung des Zugangs zu einer hochwertigen Versorgung schließen. Das ist entscheidend für die Bereitstellung einer hochwertigen psychologischen Betreuung für die Opfer von Kriegen“, erklärt Dr. Caroline Clarinval, WHO-Repräsentantin in Rumänien.