WHO
© Credits
WHO
© Credits
/

Aufnahmeländer ukrainischer Flüchtlinge bekräftigen erneut Entschlossenheit zur Erfüllung ihrer gesundheitlichen Bedürfnisse

3 May 2023
Pressemitteilung
Reading time:

Bratislava, 28. April 2023 

Inmitten des unerbittlichen Krieges in der Ukraine, der sich nun schon im zweiten Jahr befindet, und der daraus resultierenden Flüchtlingsströme haben Gesundheitsminister, nichtstaatliche Organisationen und Organisationen der Vereinten Nationen in diesem Monat auf einer Tagung in Bratislava über die Herausforderungen sowie über Lösungen und Wege zur Deckung der gesundheitlichen Bedürfnisse von Ukrainern diskutiert, die vorübergehend in den Nachbarländern Schutz vor dem Konflikt gesucht haben. 

Diese hochrangigen Beratungen wurden vom Gesundheitsministerium der Slowakischen Republik zusammen mit WHO/Europa organisiert. Führende Gesundheitspolitiker aus Polen, der Republik Moldau, Rumänien, der Tschechischen Republik und Ungarn reisten nach Bratislava, um im Rahmen des Ministerforums und der Konsultation mit ihren slowakischen Gastgebern die Lehren zu erörtern, die aus den Maßnahmen der vergangenen Jahre zur Bewältigung der größten humanitären Notlage in der Europäischen Region der WHO seit dem Zweiten Weltkrieg gezogen wurden.  

Seit dem 24. Februar 2022 haben über 20 Mio. Menschen die Ukraine verlassen und in anderen Ländern Zuflucht gesucht. 8 Mio. sind derzeit in benachbarten Ländern der Europäischen Union (EU) untergebracht, von denen 5 Mio. einen Antrag auf vorübergehenden Schutz gestellt haben, der ihnen den gleichen oder einen ähnlichen Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährt wie anderen Bürgern. 

Doch während der Krieg andauert, sind nachhaltige Lösungen erforderlich, zumal die bestehenden Gesundheitssysteme auf ein solches Ereignis nicht vorbereitet waren und es in der Europäischen Region einen akuten Mangel an Gesundheitspersonal gibt.  

„Seit Beginn des Krieges kamen allein auf slowakisches Gebiet fast 200 000 ukrainische Staatsangehörige, und mehr als 113 000 von ihnen haben vorübergehenden Schutz beantragt. Viele benötigten eine primäre Gesundheitsversorgung und eine grundlegende Behandlung, aber auch komplexe medizinische Eingriffe oder auch nur eine Fortsetzung ihrer Behandlung“, erklärte Michal Palkovič, Staatssekretär beim slowakischen Gesundheitsministerium. „Leider sind wir nicht die ersten Länder, die vor Herausforderungen infolge von Fluchtbewegungen in dieser Größenordnung stehen. Nur durch gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit können wir diese schwierige Situation gemeinsam bewältigen. Unsere Nachbarn aus der Ukraine verdienen zweifellos unsere Hilfe.“  

Während der Konsultation wurden einige gemeinsame Herausforderungen von mehreren Mitgliedstaaten genannt. Dazu gehörte ein Defizit in der Krisenvorsorge, das auf einem Kontinent, auf dem jahrzehntelang Frieden herrschte, noch nie so groß war wie heute. Dementsprechend waren die gesetzlichen Bestimmungen für die Bewältigung der Krise anfangs nicht ausreichend. Das humanitäre Recht musste landesweit angewandt und spezielle Gesetze erlassen werden, um einen angemessenen Umgang mit finanziellen und anderen Ressourcen zu gewährleisten. Krisenmanagement und Ressourcenzuweisung waren in der Anfangsphase der Krise äußerst problematisch und bedurften einer ressortübergreifenden Koordinierung. 

In vielen Ländern hat die WHO zusammen mit den Gesundheitsministerien die Koordinierung der Partner aus dem Gesundheitsbereich bei den ergriffenen Maßnahmen übernommen. Das Fehlen präziser Daten, etwa über Gesundheitszustand und Impfungen der Patienten sowie Informationen über den Zugang zur Gesundheitsversorgung, hat sich als Hindernis für eine effektive Versorgung und einen gleichberechtigten Zugang zum Gesundheits- und Sozialwesen erwiesen.  

Trotz der immensen und exponentiellen gesundheitlichen Bedürfnisse der Neuankömmlinge konnten Regierungen und Behörden oft mit kreativen und praktischen Methoden den Bedürftigen helfen. Die EU-Richtlinie über vorübergehenden Schutz trug entscheidend zum Zugang zur Gesundheitsversorgung bei, machte jedoch zügige Gesetzesänderungen erforderlich. Nun, da der Krieg sich schon im zweiten Jahr befindet, kommt es auf nachhaltige Lösungen wie die Einbeziehung ukrainischer Flüchtlinge in die nationalen Krankenversicherungssysteme an. Zu den praktischen Lösungen gehören bessere IT-Systeme, etwa für Übersetzung, die Bereitstellung von Informationen sowie für Kommunikation und Terminbuchungen.   

Die Zusammenarbeit zwischen den maßgeblichen Akteuren war entscheidend für die Stärkung der ergriffenen Maßnahmen, bei denen die nationalen Regierungen, die EU, Organisationen der Vereinten Nationen, nichtstaatliche Organisationen und die Bürger alle ihren Beitrag leisteten. Eine engere Zusammenarbeit mit den ukrainischen Gesundheitsbehörden wird als entscheidend für ein besseres Verständnis der Hindernisse in der Gesundheitsversorgung und der grenzüberschreitenden Gesundheitsdaten sowie für die Durchführung wirksamer medizinischer Evakuierungen und Rückführungen angesehen. Die Einbindung von Flüchtlingen in die Maßnahmen wird auch dazu beitragen, Kapazitäten und Vertrauen aufzubauen und die Flüchtlinge zu stärken.  

Die Bedeutung einer solchen Arbeitsweise wurde von Dr. Gerald Rockenschaub, Direktor für gesundheitliche Notlagen bei WHO/Europa, hervorgehoben: „In den Ländern, die Flüchtlinge aufnehmen und beherbergen, arbeiten wir Hand in Hand mit den Gesundheitsministerien und unseren Partnern, um die gesundheitlichen Bedürfnisse von aus der Ukraine geflohenen Familien zu erfüllen und zu einem umfassenden Gesamtkonzept zu gelangen. Wir tun dies, um den Zugang zur primären Gesundheitsversorgung und zur fachärztlichen Versorgung zu gewährleisten und das Leistungsangebot in den Bereichen psychische Gesundheit und chronische Krankheiten auszuweiten.“ 

„Wir wissen, dass die Prioritäten für die Menschen inner- und außerhalb der ukrainischen Grenzen weiterhin darin bestehen, die Bedürfnisse im Bereich der psychischen Gesundheit zu erfüllen, die Aufrechterhaltung der ärztlichen und rehabilitativen Versorgung sicherzustellen und das Gesundheitssystem des Landes wieder aufzubauen“, fügte Dr. Rockenschaub hinzu. Wir werden uns weiterhin für den Zugang einsetzen, damit wir den humanitären Bedarf aller Menschen in der Ukraine decken können. Wir alle wünschen uns, dass dieser Krieg zu Ende geht. Aber wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass dies möglicherweise nicht in absehbarer Zeit der Fall sein wird und die Auswirkungen noch Jahre oder Jahrzehnte zu spüren sein könnten.“ 

Ein besonderer Schwerpunkt war die vorübergehende Eingliederung ukrainischer Gesundheitsfachkräfte in die nationalen Gesundheitssysteme der Aufnahmeländer. Dies ist sowohl für die Bevölkerung der Aufnahmeländer als auch für die Flüchtlinge von Nutzen: Denn durch mehr Gesundheitspersonal entspannt sich die Personalkrise; gleichzeitig wird es dem ukrainischen Personal ermöglicht, seine Fähigkeiten zu erhalten, während die Flüchtlinge sich von Personal behandeln lassen können, das ihre Sprache spricht. Doch um vorübergehend im Aufnahmeland arbeiten zu können, benötigen Angehörige der Gesundheitsberufe eine Genehmigung zur Ausübung ihrer Tätigkeit und müssen über die nötigen Sprachkenntnisse verfügen. Die Organisationen der Vereinten Nationen bemühen sich in enger Abstimmung mit den Gesundheitsministerien um eine Straffung dieses Prozesses.  

Es wurde allgemein anerkannt, dass eine kontinuierliche Unterstützung notwendig ist, einschließlich der Notwendigkeit, im Hinblick auf künftige Maßnahmen Lehren und Beispiele von bewährten Praktiken aus der Hilfe für ukrainische Flüchtlinge sowie aus anderen Notlagen zu nutzen. Langfristige Planung wird als Schlüssel zu einer nachhaltigen Lösung für die gesundheitlichen Bedürfnisse der Flüchtlinge angesehen.  

Die Ergebnisse der Tagung werden in künftige Konzepte und strategische Lösungsansätze in der Europäischen Region einfließen. Dazu gehört auch die Entwicklung von Strategien und Instrumenten zur Berücksichtigung der gesundheitlichen Bedürfnisse und Rechte von Flüchtlingen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse dazu beitragen, die nächsten Schritte für eine längerfristige strategische Planung und dauerhafte Bemühungen der Aufnahmeländer, einschließlich länderübergreifender Kooperationen und Partnerschaften, zu bestimmen, die letztlich zur Entwicklung einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung für die Bürger der Aufnahmeländer wie auch die Flüchtlinge beitragen werden.  

Die Ergebnisse werden auch in den neuen Aktionsplan für die Gesundheit von Flüchtlingen und Migranten in der Europäischen Region der WHO (2023–2030) einfließen, der den Mitgliedstaaten auf der nächsten Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa im Oktober 2023 in Kasachstan vorgelegt wird.   

Der ukrainische Botschafter in der Slowakei, Myroslav Kastran, wies auf die dringende Notwendigkeit hin, den Bürgern seines Landes zu helfen, die im Ausland Zuflucht gesucht haben. Die Menschen in der Ukraine können nicht sicher sein, ob sie morgen aufwachen“, sagte er. „Der Krieg ist der Grund, aus dem ukrainische Eltern gezwungen sind, nach sicheren Orten für ihre Kinder zu suchen. Wir müssen Wege finden, um den Menschen hierbei zu helfen. Wir danken den Menschen in der Slowakei dafür, dass wir uns in ihrem Land wie zuhause fühlen können. Das werden wir nie vergessen.“